Alle Beiträge von Sankt Neff

Kurzes Gedicht mit sehr langem Titel, das sich an Fernsehmoderatoren richtet, die mir Freitag abends ein hinreissendes Herbstwochenende wünschen zu müssen glauben, wo es doch auch ein gutes oder schönes tun würde, an Musiker, die allen Ernstes behaupten, sie hätten sich mit ihrer aktuellen Platte neu erfunden, nur weil sie ein klein bisschen anders klingt als die davor, an Literaturkritiker, die Bücher als rasend klug komponiert bezeichnen, hauptsächlich um damit zu vermitteln, dass sie selbst zu den wenigen gehören, die rasend klug genug sind, um rasend klug komponierte Bücher als solche überhaupt erkennen zu können, an Prominente wie Nina Hagen, die sich nicht entblöden, öffentlich auszuposaunen, dass sie täglich beten und es wunderschön finden, oder Til Schweiger, der zwar an den Himmel glaubt, aber derzeit nicht an Gott, mit Betonung natürlich auf derzeit – soweit der Titel und nun das Gedicht:

Hört auf, mich zu stören!

Ich will das nicht hören!

 

Ihr vorlauten Wesen!

Ich wills auch nicht lesen!

 

So  shut up and listen:

Will nichts davon wissen!

Die Limonade zum Film zum Buch von Wolfgang Herrndorf

Ein „Erfolgsschriftsteller“ wurde Wolfgang Herrndorf erst kurz vor Schluß, also zu spät.

Davor war er Jahre, Jahrzehnte lang ein armer Maler und armer Poet, der in einer Einzimmerwohnung lebte und aus Kostengründen in der Mensa essen ging.

Als Autor mit sehr kleinen Auflagen erzählte er mal,  er lege seine Bücher in Buchhandlungen gelegentlich oben auf den hochhaushohen Daniel Kehlmann-Stapel, damit sie endlich  wahrgenommen und gekauft würden.

Schon schwer krank hat Herrndorf dann einigermaßen verwundert, amüsiert, vielleicht auch ein bißchen verbittert mitansehen dürfen, wie er zum Bestseller-Autor und Millionär wurde.  Die tödliche Krankheit gehörte sicher auch zur Erfolgsgeschichte von „Tschick“, die Herrndorf dann aber eben nur noch zum Teil erlebt hat.

„Tschick“ als Schullektüre,  auf Theaterbühnen und eben jetzt erfolgs-folgerichtig auch im Kino – Wolfgang Herrndorf ist inzwischen vermutlich populärer und verkaufsträchtiger als Daniel Kehlmann. Eine „Vermessung der Welt“-Limonade jedenfalls ist mir noch nicht untergekommen:

Satire als Notwehr

 „Satire ist Notwehr.“

Wenn ich mich recht erinnere, stammt dieser sehr wahre Satz ursprünglich von der Autorin Simone Borowiak, die inzwischen ein Autor ist und Simon Borowiak heißt.

Eine archaische Form der satirischen Notwehr erfüllt mich immer wieder mit Freude, so auch jetzt  im Berliner Wahlkampf: die Entstellung von Personen auf Wahlplakaten mit einfachsten Mitteln. Ein dicker schwarzer Filzstift reicht, um sich gegen die penetrante Präsenz von Politiker-Gesichtern zu wehren, wie dieses Beispiel aus Kreuzberg belegt:

Wahlplakat 2

Ein paar schwarze Zähne – schon kann und muß die Frau keiner mehr ernst nehmen. Die Aufdringlichkeit ihrer Gegenwart löst sich auf in wohlgefälliges Lachen oder zumindest Lächeln auf Seiten des Betrachters.  Eine harmlose, aber wirkungsvolle Form der Notwehr. Funktioniert garantiert bei Politikern aller Parteien.

Ein schönes Ferienerlebnis

Aber eben auch viel Schönes. In der Welt.

Mir zum Beispiel widerfuhr vor einigen Tagen Folgendes:

Ich besuchte Freund Andreas in Köln. Am späteren Abend brach ich wieder auf und nahm die U-Bahn vom Neumarkt zum Hauptbahnhof.  Das sind nur zwei Stationen, dachte ich, es reicht also, wenn du dir am Hauptbahnhof die Fahrkarte Richtung Siegburg kaufst. Die U-Bahnfahrt wäre damit quasi rückwirkend abgedeckt. Moralisch alles einwandfrei. Und um diese Zeit kontrolliert ja eh keiner.

Kurz vor Erreichen des Hauptbahnhofs stellte ich mich an den Ausgang des U-Bahn-Waggons und nahm zuerst zu meiner Rechten eine sehr sympathisch aussehende junge Frau möglicherweise asiatischer Herkunft, dann zu meiner Linken eine Kontrolleurin der Kölner Verkehrsbetriebe wahr, die sich  bedrohlich näherte und just mit Erreichen des Bahnhofs nach unseren Fahrkarten fragte.

„Ich fürchte, ich habe keine.“

So ich.

„Warte mal, ich habe einen Studentenausweis. Falls ich ihn finde“.

So die junge Frau zu meiner Rechten.

Gemeinsam verließen wir die U-Bahn: die Kontrolleurin, die junge Frau und ich. Während ich über die Höhe des zu gewärtigenden Bußgeldes und das Verpassen meines Anschluß-Zugs nachdachte, wühlte die junge Frau in ihrer Handtasche und klaubte schließlich den gesuchten Studentenausweis heraus. Sie hielt ihn der Kontrolleurin vor die Nase, deutete dann mit einer Kopfbewegung auf mich und sagte:

„Ich nehm ihn mit.“

Die Kontrolleurin akzeptierte das und ging ihrer Wege. Ich bedankte mich verdutzt, aber herzlich bei der jungen Frau.  Und murmelte ihr wie verzaubert hinterher:

„Unglaublich entzückend.“

Meine Retterin drehte sich noch einmal um, zwinkerte mir zu – und entschwand.

Alles aufs gleiche

Früher, wenn ich gemeinsam mit meiner Mutter die „Tagesschau“ o.ä. sah, pflegte sie schlechte Nachrichten seufzend mit dem Satz zu kommentieren:

„Es ist viel Leid in der Welt.“

Damals erschien mir dieser Satz banal. Heute denke ich: Besser und allgemeingültiger kann man es eigentlich nicht sagen. Angesichts der belastenden Ballung von Terror, Trump, Türkei ließe sich das Hauptwort „Leid“ bei Bedarf auch durch „Haß“ oder „Dummheit“ variieren. Läuft letztlich aber alles aufs gleiche hinaus.

Sänger gefunden

Vor einigen Wochen suchte ich hier, also weiter unten, einen Sänger, der bereit ist, Andreas Göbels Vertonung meines Gedichts „Die Hälfte des Lebens in drei Variationen“ zu singen. Er hat sich gefunden. Der Held und Tenor heißt Jaakko Sirén und hat Augen so blau wie die von Terence Hill: