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Sänger gesucht

Mitte Mai  habe ich hier (s.u.) mein Gedicht „Die Hälfte des Lebens in drei Variationen“ veröffentlicht – und im Rubbeldidupp hat der Pianist Andreas Göbel es vertont:

Die Hälfte des Lebens – Noten

Für die, die mit Blick auf die Noten die anmutige kleine  Melodie noch nicht hören können, hat der Komponist höchstselbst  die Klavier-Fassung eingespielt:

Die Hälfte des Lebens – Klavier

Was nun noch fehlt, ist eine intonationssichere, nach Möglichkeit männliche Stimme, die den Text dazu singt. Ewiger Ruhm und immerwährende Dankbarkeit jetzt schon garantiert.

Alis Lyrics

Nicht daß ich mich sonderlich auskennte im Boxsport und im Leben Muhammad Alis. Daß aber dieser schöne und starke Mann auch ein Mann des gesprochenen Wortes und der Poesie war, ist mir dank des furiosen Dokumentarfilms „When We Were Kings“ aus dem Jahr 1996 nicht verborgen geblieben.

„Float like a butterfly, sting like a bee.

Your hands can’t hit what your eyes can’t see.“

Wer den eigenen Box-Stil so rhythmisch und bildmächtig und ohrwurmträchtig in Worte zu fassen vermag,  läßt manchen hauptamtlichen Dichter samt seiner blutarmen Verse schon ein bißchen alt aussehen.

Gefreut habe ich mich auch über die im FAZ-Nachruf erwähnte Angewohnheit des jungen Ali, den Verlauf des bevorstehenden Kampfes in Reimform  und möglichst präzise mit Rundenangaben vorherzusagen:

„This guy must be done/I´ll stop him in one.“

„Archie Moore/will be on the floor/in round four“

In die Annalen der Literaturgeschichte eingegangen ist Ali mit einem Auftritt vor Absolventen der Harvard-Universität im Jahr 1975. Ein Zuhörer bat ihn um ein Gedicht. Ali dachte kurz nach und sagte dann:

„Me. We.“

Dieses Poem gilt als das kürzeste der Weltliteratur und läßt viel Spielraum für Interpretation. (Es gibt auch die These, das Gedicht habe „Me? Whee!“ gelautet. Erscheint mir aber weniger plausibel.)

Ali hat sich gewünscht,  als anständiger Mensch und großer Boxer in Erinnerung zu bleiben.  Doch auch in den Gefilden der Poesie verfügte er über einen sehr respektablen Punch.

P.S. Für die lustvolle Ali-Exegese besonders gut geeignet ist nicht nur der oben erwähnte Film, sondern auch Jan Philip Reemtsmas kluges und weitgehend unverkopftes Buch „Mehr als ein Champion. Über den Stil des Boxers Muhammad Ali“.

P.P.S.  Weiterbildung auch per Video möglich. Zum einen Billy Crystals furiose Rede inklusive liebevoller Imitation auf der Trauerfeier für Ali:

Trauerrede

Darin erwähnt Crystal auch sein Kurzdrama „15 Rounds“ aus dem Jahr 1979, in dem er Alis Boxer-Leben in zehn Minuten komisch und anrührend auf den Punkt bringt. Dabei Muhammad Ali schönerweise ständig als Zuschauer im Bild:

15 Rounds

P.P.P.S. Dem Buch „Rummel im Dschungel – Eine Reportage aus Kinshasa“ von Bill Cardoso entnehme ich nachträglich ein wichtiges Detail:  Demnach hatte Ali in seinem langjährigen Betreuer Drew Bundini Brown eine Art Hausdichter und verbalen Sparrings-Partner.  In dieser Funktion war Brown maßgeblich an der Entstehung von Kleinkunstwerken wie „Float like a butterfly“ beteiligt.

Familie von aussen

Junger Vater sitzt mit seiner Mutter und seinem kleinem Sohn im Café. Drei Generationen essen Eis. Der Höhepunkt des überbemühten, durchaus gutgemeinten, für Außenstehende aber qualvollen Familien-Getues ist erreicht, als der  junge Vater sein Söhnchen fragt:

„Soll die Oma jetzt auch mal beim Papa probieren?“

Und soll die Oma dem Papa dann gleich auf der Toilette auch den Popo abwischen? Nein, der Papa soll jetzt bitte mal still sein, bitte, einfach nur sein Eis löffeln und das arme Kind mit solchen Scheiß-Fragen verschonen.

Mitte Mai

Die Hälfte des Lebens in drei Variationen

 

Bedenke aber, daß das Leben in dieser Welt

nichts ist als ein Spiel und ein Zeitvertreib…“

(Koran, LVII 19)

 

I.

Mein Leben rauscht an mir vorbei,

ich schau ihm hinterher.

Seit Jahren denk ich Mitte Mai:

die Hälfte ungefähr.

 

II.

Mein Leben rauscht an mir vorbei.

Was bleibt, ist nicht sehr viel.

Als Trost vielleicht der Satz, es sei

nur Zeitvertreib und Spiel.

 

III.

Mein Leben rauscht an mir vorbei,

ich schau ihm hinterher.

Dann brat ich mir ein Spiegelei

– mehr geht heute nicht mehr.

Neue Zeit

Freund Andreas machte mich auf ein Phänomen aufmerksam: In Bäckereien sei bei unübersichtlichem Andrang zu beobachten, daß die Fachverkäuferinnen ein kreatives neues  Tempus verwenden:

„Wer war jetzt?“

Ich freute mich über den passenden Fach-Terminus „Präsens Praeteritum“ und stellte dann fest, daß ich genau diese Zeit-Form auch schon einmal eingebaut habe: in ein Gedicht, das mittlerweile vierzehnzweidrittel Jahre alt ist:

 

Dreiunddreißigeindrittel

 

Mein erster Schrei – schnell vorbei.

Kindheit – ruck, Jugend – zuck.

Und plötzlich war jetzt.

Bald bin ich alt.

Dann bin ich dran.

(Spätestens dann.)

Es treiben wie die Triathleten

Eine Bekannte  lebte einst gemeinsam mit einer Triathletin in einer Wohngemeinschaft. Der Freund der Triathletin war ebenfalls Triathlet. In der sehr hellhörigen Wohnung konnte  meine Gewährsfrau praktisch Nacht für Nacht als Ohrenzeugin mitverfolgen, wie sportiv, leistungsorientiert, ausdauernd, lautstark und lauthals derartig durchtrainierte Menschen zu vögeln imstande sind.

Ich mache das hier öffentlich, weil ich finde, daß die Redewendung

„vögeln wie die Triathleten“

(eventuell auch in der alliterativen Variante „es treiben wie die Triathleten“) das Zeug hat zum geflügelten Wort.  Hiermit ist sie in der Welt. Ob sie Flügel bekommt, das hängt allein von Dir ab, liebe Leserin, lieber Leser.