Not being Wiglaf Droste

Es regnete in Hamburg.

War ja klar.

Und ich mal wieder: weder Schirm noch Kapuze.

Unterwegs in St. Georg,

Lange Reihe.

Und dort im Souterrain

ein Hutgeschäft

namens „Chapeau St. Georg“.

Ich trat ein und sah

einen Herrn im Sessel

mit Hut auf dem Kopf.

Er saß da und probierte,

wie er sich anfühlt, der Hut.

Dann stand er auf,

trat vor den Spiegel,

musterte sich,

ging ein paar Schritte,

dann wieder Sessel.

Die zweite Person im Raum

– hab ich sie schon erwähnt? – :

die Hutverkäuferin,

rote Haare, schön,

flamboyant sagt man wohl,

sie zeigte mir Hüte

mit gutem Gespür

dafür,

was mir passen könnte,

was zu mir passen könnte.

Ich trat vor den Spiegel

und dachte: Nicht schlecht,

eigentlich sogar gut,

der Hut,

aber ich kann ihn unmöglich tragen,

durch Kreuzberg laufen damit,

bin doch kein Künstler,

bin doch nicht Wiglaf Droste.

Der durfte das.

Künstler mit großem Kopf dürfen das.

Mit Hut durch Kreuzberg laufen,

die Jacke ausziehen,

sich hinsetzen,

den Hut noch auf dem Kopf,

wie selbstverständlich

bei Wiglaf Droste.

Bei mir aber nicht.

Das sagte ich der Verkäuferin.

Und sie blieb schön, freundlich und sagte:

Wie wärs denn mit einer Mütze?

Schauen Sie doch mal dahinten.

Das tat ich

und bediente mich.

Nahm eine vom Haken

in die Hand.

Die Schiebermütze sprach mich an:

Mein Name ist Stetson.

Darf ich mich setzen?

Sie durfte

und siehe da:

Sie paßte.

Wir fühlten uns sofort wohl mit einander.

Sie auf mir,

ich unter ihr.

Also schnurstracks zur Kasse.

Die Verkäuferin freute sich schön

und nannte den Preis.

Ich mußte kurz schlucken.

War ziemlich teuer.

Ein hübsches Sümmchen.

Aber es gab kein Zurück:

vor der schönen Verkäuferin,

dem feinen Herrn,

immer noch im Sessel,

aber mit anderem Hut auf dem Kopf.

Nein, es gab kein Zurück.

Und hab es nicht bereut seither.

Hab mich so oft gefreut seither.

Wenn ich aus dem Haus geh,

kurz bevor ich rausgeh:

Greif ich zur Mütze von Stetson

und frag sie: Willst du dich setzen?

*

Heute vor zwei Jahren starb Wiglaf Droste. Ihm, dem großen Hutträger, ist dieses Gedicht gewidmet. Das Foto zeigt ihn fidel rauchend im Bielefelder Crüwell-Tabakhaus.

Ein Gedanke zu „Not being Wiglaf Droste“

  1. Wunderbare Homage an Wiglaf Droste. Der Mann war einfach großartig.

    Beim Lesen wächst die Lust, Hüte und Mützen auszuprobieren. Warum auch nicht? Mode oder/und Schutz sind Grund genug.

    Danke für jedes Wort lieber Herr Brück.

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