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Ottos mops revisisted

Entschuldigt bitte die leichte Verspätung, denn eigentlich hat Ernst Jandl seinen bzw. haben wir seinen 100. Geburtstag schon vor 11 Tagen gefeiert.

Aber eben erst mit leichter Verspätung kam mir die Idee, seinem berühmtesten Gedicht – „ottos mops“ – eine Katzen-Variation gegenüberzustellen.

Here we go:

 

karlas katz

 

karlas katz ratzt

karla: wach katz wach

karlas katz macht satz

karla: jaja

 

karlas katz jagt spatz

spatzhatz macht karlas katz spaß

karlas katz schaffts

karla klagt

karlas katz schmatzt

 

karlas katz hat platz: matratz

spatz macht rabatz

karlas katz macht fratz

karlas katz kotzt

karla: arma schatz

Aschenputtel in Kreuzberg

Was spielen sich in meiner Nachbarschaft für märchenhafte Dramen oder auch dramatische Märchen ab?  Fragte ich mich morgens auf dem Weg zum Bäcker bei diesem Anblick hier:

Welches Kreuzberger Aschenputtel verlor hier seinen Schuh oder streifte ihn ab und ließ ihn liegen? Und warum nur?  Gibt es möglicherweise einen Prinz, der sich auf die Suche macht nach der Besitzerin? Das könnte allerdings schwierig werden, wie sich ein paar Meter weiter herausstellte:

Zwei hochhackige Schuhe liegen morgens verloren auf dem Trottoir. Wer macht ein Gedicht draus, eine Erzählung oder einen Roman?

Als ob

Oh weh!

Wenn Kirche versucht, sich „zeitgemäß“ an die Gläubigen oder eben Ungläubigen zu wenden, dann wirds schnell peinvoll. Ich möchte auch nicht www.gott.net in den Rechner eingeben. Lieber stoßseufze ich mit meinem Freund Andreas:

„Lieber Gott, mach, daß es dich gibt!“

Die metaphysische Obdachlosigkeit des aufgeklärten Menschen,  seine Suche nach Sinn, Trost und Rat –  sehr kunstvoll bringt sie  auch Julian Barnes in einem Buch über den Tod – „Nichts, was man fürchten müsste“ – auf den Punkt:

„Ich glaube nicht an Gott, aber ich vermisse ihn.“

Und der mit 82 Jahren sicher schon ein wenig weise Günter Wallraff hat das gleiche Paradoxon in einem Interview mit der ´Süddeutschen Zeitung´ an diesem Wochenende witzig in Worte gefasst:

„Ich muss aufpassen, dass ich als bekennender Agnostiker nicht am Ende noch zu einem gläubigen Menschen werde, aber davor bewahre mich Gott.“ 

Treten wir also in diesem heiteren Sinne einen Schritt zurück,  verzeihen auch der Kirche kleinere Fehltritte und freuen uns des Anblicks dieses schönen und schön gelegenen Gotteshauses in Bad Belzig:

Mit dem Fahrrad zur Tankstelle

Neulich sonntags fuhr ich in Bad Belzig mit dem Fahrrad zur Tankstelle, um mir sehr ausnahmsweise eine Cola zu kaufen. Und ebenfalls sehr ausnahmsweise ließ ich mein Rad draußen unabgeschlossen stehen.  Denn, dachte es in mir: Es gibt ja wohl kaum einen Ort, an dem Fahrraddiebstahl so unwahrscheinlich ist wie an einer Tankstelle. Schließlich sind alle anderen mit dem Auto oder dem Motorrad da, haben also kein Interesse an Fahrrädern, nehmen sie vermutlich nicht mal wahr.  Was andererseits vielleicht doch vorstellbar ist: Jemand kommt aus der Tankstelle, sieht ein nicht unschickes, noch dazu unabgeschlossenes Fahrrad, schnappt es sich kurz entschlossen, wirft es in seinen Kofferraum – und braust damit davon. Ganz ohne Vorsatz, ganz spontan, ganz schlicht, weil die Gelegenheit sich bietet.  Aber sehr wahrscheinlich ist es nicht, oder?

Macht dreimal rum

Ich mochte immer sehr den Titel von Margarete Stokowskis feministischem Sachbuch

„Untenrum frei“.

Da schwingt soviel mit: „Untenrum“ als lustig vages Synonym für den sogenannten Genitalbereich, das Sich-frei-Machen im wörtlichen wie im übertragenen Sinne.

Unter anderem ums Untenrum ging es auch in einem Interview, das ich neulich im Radio gehört habe. Befragt wurde die Autorin Susanne Rehlein, die mit „Ab ins Bett“ ein Buch über „sexuelle Späterziehung“ geschrieben hat.  These: Wie Sex „geht“, hat kaum eine und einer so richtig gelernt, weswegen auch und gerade nicht mehr junge Menschen ein bißchen Nachhilfe gut gebrauchen können.

Die Moderatorin verwendete im Laufe des Interviews zwei Wörter, die ich sehr sprechend und bildhaft fand. Das nicht selten unbeholfene geschlechtliche Miteinander bezeichnete sie als

„Rummurksen“,

den klemmigen Versuch, sich über die wechselseitigen Vorlieben und Abneigungen zu verständigen als

„Rumdrucksen“.

Das Rumdrucksen übers Rummurksen untenrum

– macht insgesamt dreimal rum.

Hätte Sehnsucht Gewicht

Nein, das „Nachthemd“-Lied haben „Erdmöbel“ am Sonntag nicht gesungen und gespielt, dafür aber viele andere Juwelen aus ihrem wahrhaft hochkarätigen Songbook. Und wir im Publikum durften wieder mitsingen, gerne auch an Stellen, die gar nicht so einfach mitzusingen sind – wie beim Refrain des „Lieds über gar nichts“:

„Ich wünsche mir ein Lied

Über gar nichts

Eins das fällt und verglüht

In der Finsternis

Über gar nichts

ein kaputter Satellit.“

Große Dichtung auch der Text des noch ziemlich neuen Liedes „Das Vakuum“:

„Ihr stellt FragenWie ich mich einer Blinden beschreiben würdeOb ich ein Lebensmotto habeEinstein sagteAls die Schülerzeitung fragteZwei Dinge sind unendlichDie Dummheit und

 

Das UniversumIst meine große LiebeUnd die PhysikVerehre ich wie meine MutterHab sie nur kurz gekanntSie hinterließ mir so ein warmes GefühlFür den leeren Raum, für das Vakuum“

 

Ich habe dieses Lied schon sehr oft gehört und trotzdem muß ich bei der lapidaren Zeile

„Hab sie nur kurz gekannt“

immer wieder und immer noch ein bißchen weinen.

Die Stimmung beim Konzert war heiter bis ausgelassen, obwohl viele der Songs so melancholisch sind und sehnsuchtsvoll:

„Hätte Sehnsucht Gewicht –

Wieviel Zentner wöge ich.“

Der Refrain des Liedes „Wette unter Models“ zielt mitten ins Herz und ist sprachlich virtuos: Die poetische Vorstellung, man könne Sehnsucht wiegen, die elegante w-Alliteration, der ausgefallene Konjunktiv, der altmodische und zugleich lustig übertriebene Zentner – eine bittersüße Symphonie der Worte.

Auf dem vor kurzem erschienenen Jubiläums-Album gibt es eine neue Einspielung dieses Liedes. Bitte beachtet das magische Bass-Motiv, das sich durch den kompletten Song zieht:

Was „Erdmöbel“ auch sehr gut können, sind Cover-Versionen. Auf dem neuen Album ist wieder eine.

Jackson Browne hat den Song „These Days“ geschrieben, bekannt gemacht hat ihn die aus Köln stammende Sängerin Nico. Erstmals begegnet ist er mir in Wes Andersons Film „The Royal Tenenbaums“:

Sehnsucht allerorten, wenn auch hier eher luftigleichte als zentnerschwere.

Was ich an meinem Wohnort schätze

Einer meiner Lieblings-Songtitel ist

„Was ich an deinem Nachthemd schätze“

der Kölner Band „Erdmöbel“.

Was ich an meinem Wohnort am Fuße des Kreuzbergs schätze, ist, daß es von dort aus früher mal möglich war

zu Fuß zum Flughafen

zu gehen. Genau einmal nutzte ich diesen Standortvorteil, zog mein Köfferchen nach Tempelhof, um von dort im Rahmen einer Dienstreise nach Dortmund zu fliegen. Damals tat man das noch, ohne groß drüber nachzudenken.

Was fast noch toller ist: Ich kann, wann immer ich will,

mit dem Fahrrad zur Philharmonie

radeln.

Ich tat das schon häufiger und heute Abend werde ich es wieder tun:

um die Band „Erdmöbel“ gemeinsam mit dem „Kaiser Quartett“ im Kammermusiksaal der Philharmonie zu erleben.

Bin sehr gespannt, ob sie auch den „Nachthemd“-Song singen und spielen werden.

Sonntags im Kalender

Heute ist Sonntag. Und ich bin im Kalender.  Also nicht ich, sondern eines meiner Gedichte. Und nicht in irgendeinem Kalender, sondern im

Der Raben-Kalender kam ursprünglich aus dem für meine literarische Sozialisation entscheidenden Haffmans-Verlag. Jahr für Jahr hing er bei mir an der Wand und Tag für Tag schaute ich auf Zitate verehrter Autorinnen und Cartoons bewunderter Zeichner. Später verlor ich ihn ein wenig aus den Augen. Bis mich im vergangenen Jahr Tini Haffmans anschrieb. Sie hatte mein Gedicht „Seufzer des Weniggereisten“ in der ´taz´ gelesen und fragte, ob sie es für den nächsten Raben-Kalender verwenden dürfe.

Dann kamen die Belegexemplare. Seit dem 1. Januar riss ich wieder Tag für Tag ein Blatt ab, um dort heute – ich erschrak mich fast ein bißchen – mein eigenes Gedicht zu entdecken:

Am Geburtstag des famosen Ror Wolf steht ein Gedicht von mir im Raben-Kalender.  So sollen Sonntage sein.

Witz und Weisheit

Der inzwischen 85jährige Franz Müntefering hat dem Magazin der ´Süddeutschen Zeitung´ neulich ein Interview gegeben. Zwei Stellen darin zeugen von Witz und Weisheit des Alters. Hier sind sie:

SZ: Sie sind 2013 aus dem Bundestag ausgeschieden, haben keine Ämter mehr, sind im Ruhestand. Duschen Sie trotzdem noch jeden Morgen eiskalt und zählen bis 100?

FM: Manchmal sogar bis 150.

SZ: Klingt nach einer Tortur.

FM: Ich kann schnell zählen, wenn es sein muss.

*

SZ: Haben Sie Angst vor dem Tod?

FM: Den Tod gibt es eigentlich gar nicht. Er ist nur ein winziger Augenblick. Das Sterben ist noch ein Teil des Lebens, der letzte. Das möchte ich ordentlich hinkriegen, möglichst menschlich, nicht allein. Dann beginnt das Totsein auf immer. Und zwischen beiden ist kurz und knapp der Tod.