Literarische Fürze

Wohltuend immer und in bester Tradition komischer Fallhöhe, wenn in hoher Literatur von niederen Dingen die Rede ist. Ich erinnere an das Furz-Zitat im Thomas Bernhard-Buch von Karl Ignaz Hennetmair, das ich weiter unten (17. Juli 2017) aufgeschrieben habe. Einen weiteren Beleg für dieses Phänomen fand ich nun in  Jane Gardams feinem Roman „Ein untadeliger Mann“ auf Seite 310:

„Im weiter entfernten Zimmer mit der geschlossenen Tür hörte er den komatösen, unterbeschäftigten Chef der Kanzlei furzen und gähnen. Der Furz war der eines älteren Herrn – lang, unmusikalisch und resigniert.“

Daß dieser Furz trefflich festgehalten wurde von einer älteren Dame – Jane Gardam ist 1928 geboren und schrieb besagten  Roman im Alter von 80 Jahren – macht für mich die Sache besonders komisch.

Kühe (4)

Webmaster Rolf las das Kuh-Zitat von Eckhard Henscheid (s.u.) und wußte  plötzlich wieder, daß er einst bei Flann O-Brien  ähnlich Schönes sah. Er schaute nach in „Der dritte Polizist“, fand die besagte Stelle auf Seite 109 der „Bibliothek Suhrkamp“-Ausgabe, schrieb sie ab und schickte sie mir. Und also steht sie hier für Euch:

„Inzwischen waren wir auf einem ganz anderen Feld und befanden uns in der Gesellschaft von weißfarbig-braunfarbigen Kühen.  Sie beobachteten uns schweigend, als wir uns  einen Weg durch ihre Mitte bahnten, und wechselten langsam ihre Stellung, als wollten sie uns alle Landkarten ihrer feisten Flanken zeigen. Sie gaben uns zu verstehen, dass sie uns persönlich kannten, viel von unseren Familien hielten, und ich zog vor der letzten, die ich passierte, als Zeichen meiner Anerkennung den Hut.“

Kühe (3)

Bei der zweiten Lektüre von Eckhard Henscheids Roman „Dolce Madonna Bionda“ anlässlich meines Bergamo-Aufenthalts neulich fiel mir nochmal schuppiger von den Augen, daß diese knapp 500 Seiten die reine Musik sind, rhythmisierte Prosa, ein Satz schöner und lyrischer als der andere.  Hier mal ein paar Kostproben von Seite 174 f. Bernd Hammer, der Held des Romans, hat sich von Bergamo aus auf den Weg in die Toskana gemacht, in der Hoffnung, dort seine verflossene Geliebte Annemarie Mosch zu treffen:

„Hurtiger stöberten Flocken von Sonne, eilig war Hammer ja schon auf den Beinen. Um 9 Uhr wanderte er scharf weiter, hüpfend durch knallwarme Superluft. (…) Hammer griente wohlrasiert. Schlenkerte das Reisetäschchen. (…) Schon sengte strahlend Sonne. Was Blumenwirrwarr ohnegleichen! (…) Wie das letzte Häuflein einer Prozession ließ eine Mannschaft schwarzer Zypressen sich müd den Hang hinunterfallen. (…) Auf grüner Wiese ruhten sieben Entchen fein. Reckten gleichzeitig ihm Hälse zu, Flaum blond über Wirbelsehnen. Mit gutem Humor schritt Hammer rasch fürbaß. Dann ging er barfuß weiter, die Schuhe in der Tasche. Schweißschleier netzten bald die Augen. Doch Tränen ließen warten.“

Das liest sich, zugegeben, nicht so einfach weg, sondern eher Satz für Satz, Vers für Vers. Wer so tut, der wird dann zum Beispiel schon wieder auf der nächsten Seite (176) beschenkt durch eine der anmutigsten Kuh-Beschreibungen der mir bekannten Weltliteratur:

„Fast zur Gänze braun trat einsam eine Kuh entschlossen auf ihn zu. Blieb fragend, kontrollierend stehen, setzte die Beine zierer. Die Kuh schob den Kopf nach Hammer hin. Die Nüstern blähten linde. Die Augen blauten warm. Sehr himmelreich die Lider, Maul käute leise wieder. Lehrhaft ihr Blick versenkte sich in Hammer. Je dümmer der Mensch, desto schwieriger wird es für eine Kuh, ihn halbwegs richtig zu verstehn.“

Mein All