Mit das Schönste: sich niederzulassen auf dem Sofa zur Siesta in dem Wissen, noch´n bißchen lesen dürfen und dann´n bißchen schlummern.
Mit das Schlimmste: wieder aufwachen und zurückfinden müssen in den Tag.
Mit das Schönste: sich niederzulassen auf dem Sofa zur Siesta in dem Wissen, noch´n bißchen lesen dürfen und dann´n bißchen schlummern.
Mit das Schlimmste: wieder aufwachen und zurückfinden müssen in den Tag.
Ein Hoch auf die deutsche Zeitungs-Landschaft! Es gibt hier offenbar (immer noch) so viele Zeitungen, daß ich sie nicht alle namentlich kenne, „Die Rheinpfalz“ zum Beispiel war mir bis dato gänzlich unbekannt. Seitdem aber der mir nicht gänzlich unbekannte Peter Claus in diesem ehrenwerten Blatt vor einer Woche eine feine Kritik zu meinem kleinen Roman veröffentlicht hat, bin ich drauf und dran, die „Rheinpfalz“ zu einer meiner Lieblings-Zeitungen zu erkiesen. Doch lest selbst:
In der Kreuzberger Hornstraße gibt es seit noch nicht allzu langer Zeit eine Wellness-Praxis. Sie heißt
„Honigseele“.
Als ich diesen Namen zum ersten Mal las, hätte ich mich fast übergeben angesichts von Übersüße gepaart mit Innerlichkeitsirrsinn. Ein bißchen lachen mußte ich aber auch. Und fühlte mich ermutigt, den Rest des Tages die Honigseele baumeln zu lassen.
Neulich morgens stand ich vorm Haus und wartete auf meinen Sohn, formerly known as „Söhnchen“, um mit ihm gemeinsam laufen zu gehen. Ich stand, wartete und hatte nichts weiter zu tun, als in den Himmel zu schauen, der gerade aufblaute, und den Wolken beim Ziehen zuzusehen. Was für ein seltener Luxus, sich mal eine Minute nur den Wolken zu widmen. Fiel mir nicht leicht, aber: gefiel mir. Während des Schauens mußte ich an das Wort
„Wolkenkuckucksheim“
denken: Was für ein merkwürdiges Wort eigentlich. Wer sich das wohl ausgedacht hat? Was für eine spektakuläre Metapher.
Der Sohn kam runter, natürlich zu dünn angezogen, wir gingen laufen, er schlurfte ostentativ lustlos neben mir her, um mich aber später beim Schlußspurt in der Hornstraße lässig hinter zu sich zu lassen und naß zu machen mit seinen pupertär spannenlangen Beinen.
Nachmittags schaute ich nach bei Wikipedia und fand Interessantes heraus: daß es sich beim dem Wort
„Wolkenkuckucksheim“
um die Lehnübersetzung eines Begriffs aus Aristophanes´ Komödie „Die Vögel“ handelt, daß die Übersetzung von Arthur Schopenhauer stammt, der das Wort bereits 1813 in seiner Schrift „Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde“ verwendete, während andere Übersetzer die Entsprechungen
„Wolkenkuckucksburg“
und
„Kuckuckswolkenhof“
wählten, daß Karl Kraus später eine modernere Version von „Die Vögel“ mit dem Titel „Wolkenkuckucksheim“ schrieb und daß der Begriff in der Popkultur einen wiederkehrenden Topos bezeichet, der „eine diegetische Welt voller Merkwürdigkeiten und exzentrischer Charaktere“ beschreibt. Was das nun wieder bedeutet, das herauszufinden reichte meine Kraft nicht.
Dafür aber hier noch ein Gedicht, in dem ich vor ein paar Jahren mal das Wolkenkuckuck-Motiv untergebracht habe:
Ohne mich
Einfach aus dem Fenster kucken.
Heute kann mich nichts mehr jucken.
Still den Augenblick verwalten.
Alles nur für mich behalten.
Nicht mehr raus und nicht mehr unter
Leute, werkelt bitte munter
ohne mich. Ich habe Zeit.
Genieße meine Wenigkeit.
Genieße meine Ewigkeit.
Ohne mich. Ich habe Zeit.
Zeit, um in die Luft zu starren.
Reglos sitzend zu verharren.
Zeit, um Wolken zu begleiten.
Um nach Kuckucksheim zu reiten.
Heute kann mich nichts mehr jucken.
Einfach aus dem Fenster kucken.
Katrin Schumacher ist eine Frau mit besonders schöner Stimme. Schon mal gehört? Geht ganz einfach, denn sie arbeitet fürs Radio. Bei MDR Kultur moderiert sie die Sendung „Unter Büchern“. Vor ein paar Tagen hat sie darin meinen Miniatur-Roman vorstellen lassen. Hier könnt Ihr beides hören, schöne Stimme und Rezension:
MDR Kultur über „Sonst war nichts“
Und hier noch die ganze Sendung – mit Foto zur schönen Stimme:
„Am schönsten isset, wenn et schön is.“
Sagt der Rheinländer. Aber auch die Rheinländerin. Und beiden höre ich gerne zu.
Schön bis schönst ist es zum Beispiel, wenn Du einen Roman in Miniaturen schreibst, von Anfang an weißt, daß er „Sonst war nichts“ heißen soll, den Titel auch gegen anderslautende Vorschläge von Verleger und Lektor verteidigst, wenn Dein Buch also mit diesem Namen auf die Welt kommt, unter die Leute, die Leute ihn dann wie selbstverständlich auch in anderen Zusammenhängen, kwasi redensartlich, verwenden, die Literatur sich also verselbständigt und ein Eigenleben zu führen beginnt, das darin gipfelt, daß Christian Zaschke ausgerechnet die 100. Folge seiner New York-Kolumne „Hell´s Kitchen“ in der wochenendlichen ´Süddeutschen Zeitung´ mit den Worten „Aber sonst war nichts.“ beschließt.
Gestern berichtete die „Tagesschau“ über den Beginn der Impfungen in einem Kölner Altenheim. Als erste ist eine sehr hübsche 92jährige Frau dran. Sie hofft auf eine Zeit ohne Corona und sagt:
„Ich möchte auch nicht vorher gehen müssen. Ich möchte erst wissen, daß Ihr noch alle schön leben könnt. Würd ich mir wünschen, daß die Welt wieder in Ordnung kommt.“
Diese vielleicht etwas naive, auf jeden Fall aber altruistische Perspektive auf das Leben nach ihr, die Welt ohne sie rührte mich.
Selbst ich, der ich ein „Sankt“ in meinem Namen trage, bin selbst jetzt, kurz vor Weihachten, nicht frei von menschenfeindlichen Anflügen: Warum sind die alle hier? Können die nicht weggehen? Was wollen die von mir? Können die nicht auch mal ausweichen, die Ärsche? Undsoweiterundsofort. So denkt es manchmal in mir. Diese Feindlichkeit kann sich gegen Menschen im allgemeinen, aber leider auch gegen wehrlos Einzelne richten. Und ich ertappe mich bei Neid, Verachtung, Mißgunst, Abwertung, bösen Dingen.
Was tun dagegen?
In den Tagebüchern von Walter Kempowski stieß ich auf einen menschenfreundlichen Rat:
„Wenn man gegen Menschen ´was hat´, sich Kinderbilder von ihnen zeigen lassen.“
(Walter Kempowski, „Alkor“, S. 496)
Was auch helfen könnte: Sich, frei nach PeterLicht, zu sagen:
„Vielleicht ist er/sie gar nicht so, wie er/sie ist.“
Wenn das alles nichts nutzt, dann einfach mal Fresse halten, allein sein, frische Luft, rauf auf den Berg in Bad Belzig und rein in die frisch renovierte Briccius-Kirche, ein Kerzlein anzünden, ein bißchen dasitzen.
„Vielleicht sind wir hinterher nette, nette und nützliche Menschen.
Vielleicht sind wir hinterher irgendwie anders.“
(Foyer des Arts, „Schleichwege zum Christentum“)
Der neuerdings an Philosophie und schlaumeierischen Sentenzen interessierte Junge (knappst 16) zitiert beim Abendessen zunächst Homer:
„Denn nicht ist auf der Welt ein jammervolleres Wesen als der Mensch, unter allem, was atmet und kriecht auf der Erde.“
Dann Schopenhauer:
„Die komparativ Glücklichen sind es meistens nur scheinbar, oder aber sie sind, wie die Langlebenden, seltene Ausnahmen, zu denen eine Möglichkeit übrig bleiben mußte, – als Lockvogel.“
Die Mutter fragt nach, wie das gemeint sei mit den „komparativ Glücklichen“. Der Sohn erläutert. Die Tochter (12) hört sich alles an und sagt dann gänzlich unbeeindruckt:
„Ich bin glücklich.“
Der Vater freut sich daran, wie schön hier die noch kindlich-ungetrübte Lebensfreude einerseits, die juvenile Lust am Nihilismus andererseits aufeinandertreffen.
Während das Mädchen (12) den kleinen schwarzen Stiefel noch bereitwillig putzt und vor die Tür stellt, reagiert der Sohn, mit knapp 16 im besten Topchecker-und Hochmut-der-Adoleszenz-Alter, auf die Aufforderung erstmal ablehnend:
„Ich bin nicht mehr so interessiert am Materialistischen.“
Als ich später nachschaue, sehe ich aber, daß er der Kindheit und dem Materialismus doch noch nicht so ganz entwachsen ist: Er hat eine Adilette rausgestellt.
Der Nikolaus belohnte nachts dann beide: Das Mädchen mit Schoko-Nikolaus und zwei Paar Socken aus Lammwolle, den Jungen mit Schoko-Nikolaus und Lektüre für adoleszent hochmütige Topchecker: Friedrich Nietzsches „Ecce homo“.