Mein Nachbar in Bad Belzig, DDR-sozialisiert, den ich gestern am Zaun traf, zeigte mir auf seinem Handy die Eilmeldung zum Tod von Gerd Müller und sagte:
„Traurig, oder?“
Ja, traurig.
Das Finale der WM 1974 ist meine erste Erinnerung an Fußball im Fernsehen, an Männer, die jubelnd über das Tor von Gerd Müller aufsprangen und mit dem Kopf an die Lampe im Wohnzimmer von Walterscheids knallten. Dort schauten wir alle gemeinsam, denn Walterscheids hatten den einzigen Farbfernseher der Straße.
So singulär Gerd Müller als Fußballer war, so schlicht und gutmütig, war er, nach allem, was ich gesehen und gehört habe, von Gemüt. Ein schlichtes und gutmütiges Gemüt, das sich auch in seinen kulinarischen Vorlieben zeigte: In fast allen Nachrufen ist von Kartoffelsalat als Leibgericht die Rede, gelegentlich auch von Wurstsalat. In seiner Autobiographie „Tore entscheiden“ erwähnt Gerd Müller noch ein drittes:
„Marmorkuchen, den ich sehr gerne esse, bäckt meine Frau, sooft ich Appetit darauf habe.“
Ein syntaktisch wie inhaltlich ewigkeitswürdiger Satz, in dem sich ein komplettes Leben verdichtet. Vor fünf Jahren habe ich ihn hier schon mal zitiert – Gerd Müller zu Ehren. Heute muß das nochmal sein.
(Foto: Panini-Sammelbild 1973/74)
P.S. tags drauf: Heute in der ´Süddeutschen´ dann noch ein Interview mit Hermann Gerland, der Gerd Müller als Gegenspieler kannte und später mit ihm ein Trainer-Gespann bildete. Ein Interview, aus dem die reine Liebe spricht. Außerdem erfahren wir von einer weiteren kulinarischen Vorliebe Müllers:
„Wenn wir Eis essen waren – Gerd wollte immer Eis essen! – hat er es immer so eingerichtet, dass er bezahlt hat. Ich hab gesagt, Bomber, du weißt schon, dass ich beim FC Bayern auch Geld verdiene? Da hat er nur gelacht.“
Und enden tut das Interview noch herzergreifend pathetischer:
„Gerd war als Fußballer unvorstellbar gut, aber ich sage Ihnen jetzt mal was: Als Mensch war er noch besser! Ich würde das auch nicht glauben, wenn ich es nicht selbst erlebt hätte. Der Bomber war der Allergrößte.“