Das Auto von Chuck Norris braucht kein Benzin. Es fährt aus Respekt.
Solcherart Witze flogen zwischen Jakob, mir und meinen Kindern hin und her. Das Söhnchen erfand dann selbst einen:
Nicht die Hoffnung stirbt zuletzt, sondern Chuck Norris.
Das Auto von Chuck Norris braucht kein Benzin. Es fährt aus Respekt.
Solcherart Witze flogen zwischen Jakob, mir und meinen Kindern hin und her. Das Söhnchen erfand dann selbst einen:
Nicht die Hoffnung stirbt zuletzt, sondern Chuck Norris.
Vater öffnet morgens noch kurz die Tür zum Zimmer der Tochter, die heute erst zur dritten Stunde hat und deshalb länger schlafen darf, wirft ihr einen leisen Abschiedsgruß zu und bekommt von schlafumflorter Stimme zu hören:
„Bis der Schnatz kommt.“
Er versteht, natürlich, nicht recht, fragt deshalb nach:
„Was hast du gesagt?“
Sie antwortet wortgleich:
„Bis der Schnatz kommt.“
Er nimmt dieses Rätsel mit in den Tag, erzählt beim Mittagessen den Kollegen davon – und erfährt, daß es in Harry Potters Welt einen „goldenen Schnatz“ gibt.
Abends dann spricht der Vater die Tochter drauf an. Ja, den goldenen Schnatz kenne sie natürlich, nein, an den morgendlichen Dialog könne sie sich nullkommanull erinnern.
Das Herz ist mir bedrückt, und sehnlich
Gedenke ich der alten Zeit;
Die Welt war damals noch so wöhnlich,
Und ruhig lebten hin die Leut’.
Doch jetzt ist alles wie verschoben,
Das ist ein Drängen! eine Not!
Gestorben ist der Herrgott oben,
Und unten ist der Teufel tot.
Und alles schaut so grämlich trübe,
So krausverwirrt und morsch und kalt,
Und wäre nicht das bißchen Liebe,
So gäb’ es nirgends einen Halt.
Tolles Gedicht, oder? Nicht von mir, obwohl ich es gern geschrieben hätte, sondern von Heinrich Heine. Es stammt aus dem „Buch der Lieder“ und erschien vor 198 Jahren.
Die Verzweiflung angesichts einer immer unwohnlicher werdenden Welt wirkt sehr heutig. Tröstlich zu wissen, daß sich schon in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts zumindest manche Menschen so gefühlt haben. Tröstlich auch zu wissen, daß die Welt dann trotzdem noch ein Weilchen weiterging, mal mehr, mal weniger wohnlich, zwischenzeitlich unbewohnbar.
Aphorismen können nerven. Viele von ihnen sind inzwischen ganz schön abgenudelt und dementsprechend überraschungsarm, wie dieser hier von Oscar Wilde:
„Ich kann allem widerstehen, nur der Versuchung nicht.“
Jetzt aber fand ich mal wieder ein Exemplar, das mich begeisterte:
„Nichts ist besser als gar nichts.“
Stammt von Herbert Achternbusch, klingt erstmal harmlos, hat es aber in sich.
Was wollen, was können uns diese sechs Wörter sagen?
Zum einen:
Nichts ist weniger nichts als gar nichts. Deshalb ist nichts besser als gar nichts. Und wer nichts hat, ist besser dran als der, der gar nichts hat.
Aber auch:
Gar nichts ist die ultimative Steigerung von nichts und deshalb das absolute Nonplusultra. Nichts ist besser. Nichts ist so gut wie gar nichts. Gar nichts ist nicht zu toppen, weil noch mehr nichts als einfach nur nichts. Wenn man nichts gut findet, ist gar nichts noch besser.
Sechs Wörter also, über die man sehr lange nachdenken, in deren Sinn und Logik man sich tüchtig verheddern kann. Was klingt wie Unsinn, entpuppt sich als Denksportaufgabe, als intellektueller Kurztrip ins große Nichts.
Und erinnerte mich an eine Strophe aus dem genialen Song „Räumliche Distanz“ von Funny van Dannen:
„Was ist das Gegenteil von nichts? hab ich dich einmal gefragt
Ist es etwas oder alles? Küß mich, hast du gesagt“
Genau. So soll es sein: Küssen als Ausweg aus allzu großer Verkopftheit.
Das ganze Album „Herzscheiße“ übrigens ein einziges Meisterwerk.
Will noch eine Runde drehen,
Ausschau halten nach den Rehen.
Hab sie lange nicht gesehen.
Wähl für meine kleine Runde
deshalb auch die blaue Stunde,
geh zum Waldrand und erkunde,
ob sie heute wie erbeten
und zur Freude des Poeten
vorsichtig das Feld betreten.
Und nach einer kleinen Weile
zeigen in der nächsten Zeile
sich zwei Rehe ohne Eile,
grüßen kurz in meine Richtung,
laufen dann in Richtung Lichtung
und verlassen dort die Dichtung.
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Und hier als Bonus-Material für die treuen Leserinnen und Leser meines Blogs noch zwei Alternativen zur vorletzten Strophe:
1.
Und tatsächlich: Zehn Minuten
später stehn da zwei der guten
und grazilen Zuckerschnuten,
2.
Und nach gar nicht langem Warten
zeigen sich auch zwei der zarten
Wesen, die den Waldlauf starten,
Im Winter kommen die fast bis ans Haus.
Sagte die Vorbesitzerin über die Rehe.
So lange mußte ich gar nicht warten.
Noch im Frühjahr sah ich sie.
Morgens,
nach dem Aufstehn,
beim ersten Blick durch das Fenster des halben Hauses,
das jetzt uns gehört,
am Waldrand, leicht verschwommen, zwei Rehe.
Das nächste Mal abends,
fast schon im Sommer,
wir kehrten zurück vom Essen im Städtchen,
noch näher am Haus,
auf der Wiese zwei Rehe,
eins lag, eins stand,
stand da und schaute,
unbewegt, aber wachsam.
Immer auf dem Sprung.
Heute dann fuhr ich Rad,
rollte den Weg entlang
über die Brücke,
über den Bach,
und gleich dahinter,
keine zwei Meter entfernt,
rechts von mir,
diesmal allein,
ein Reh.
Kuckte mich an,
interessiert,
kuckte mir nach
und blieb stehn,
wie selbstverständlich.
Ich rollte weiter.
Vorm nächsten Haus lagen zwei Katzen
und standen zwei Menschen.
Sie sahen mein Staunen,
vielleicht auch Erschrecken
über das Reh
so nah an mir dran.
Der eine Mensch sagte:
Das ist Natur.
Die Rehe gehen hier bis zum Netto.
Manchmal gibt es auch auf Wikipedia etwas zu lachen.
Ich las dort einen Eintrag über Georges Simenon, der nicht nur berühmt ist für seine literarische Produktivität, sondern auch sagenumwoben im Hinblick auf die Anzahl seiner sexuellen Begegnungen – ein Mythos, an dem er selbst wohl mächtig geschraubt hat:
„Er behauptete in einem Gespräch mit Fellini, in seinem Leben mit 10.000 Frauen geschlafen zu haben, darunter 8.000 Prostituierten.“
Aber stimmt das den überhaupt?
„Der Biograf Fenton Bresler ging ausführlich der Glaubwürdigkeit der Zahl nach.“
Was man halt so macht als sorgfältiger Biograf. Unter anderem sprach er auch mit Simenons zweiter Ehefrau:
„Denise behauptete, ihr Mann übertreibe, sie hätten gemeinsam eine Zahl von 1.200 ausgerechnet.“
Diesen Satz fand ich dann doppelt und dreifach lustig:
Bei realistischer Betrachtung hat Georges Simenon also nur mit 1.200 Frauen geschlafen.
Das wissen wir, weil seine Ehefrau und er sich am Küchentisch zusammengesetzt haben, mit Papier und Bleistift, um jetzt aber mal eine tatsächlich belastbare Größenordnung zu errechnen.
Doch, diese Vorstellung finde ich wirklich sehr lustig.
Habe ich Euch eigentlich schon von meiner derzeitigen Lieblingsband erzählt, den „Strottern“ aus Österreich?
Lehrer-Matthias aus der „Bar Italia“ hat mich auf sie gebracht. Gemeinsam besuchten wir dann im vergangenen Jahr ein Konzert der Band in der „Bar jeder Vernunft“.
Und live erlag ich vollends dem Charme dieses Duos, der unerhörten Langsamkeit ihrer Lieder, den sparsamen und dennoch reichhaltigen Arrangements mit Gitarre, Geige und zweistimmigem Gesang. Eigentlich mag ich Geige gar nicht, wohl aber, wenn Klemens Lendl sie zupft.
Und die Texte sind so gut, geschrieben vom Sänger Lendl selbst oder aber von Autoren wie Daniel Glattauer, Peter Ahorner und Stefan Slupetzky. Letzterer hat auch den Text zu meinem Lieblingslied der „Strottern“ verfaßt – „Vogerl, Hund, Krot“ -, das die Unbill des Lebens sehr komisch auf den Punkt bringt:
„Waun a si tummön muass,
san olle Aumpön rod,
waun a sei Ruah wü,
mocht wer an Bahöö.
Waun ar a Bradl b´stööt,
kriagt a grod an Salod,
waun ar in Essig suacht,
findt a nua´s Öö.“
Mir geht das Herz sperrangelweit auf bei einer Sprache, in der ein Wort aus nur zwei ö bestehen kann, das sich dann noch dazu auf ein lautmalerisches Kunstwerk wie „Bahöö“ reimt.
„Vogerl, Hund, Krot“ gibt es als inszeniertes Musikvideo. „Die Strottern“ Klemens Lendl und David Müller sitzen am Tisch eines angejahrten Kaffeehauses, der Autor des Liedes, Stefan Slupetzky, kommt dazu:
Übrigens: Die famosen „Strottern“ spielen am 17. März wieder in der Berliner „Bar jeder Vernunft“.
Beim Lauf über das Gleisdreieck heute – strahlender Wintertag mit vereinzelt vereisten Flächen – mußte ich an ein Gedicht denken, das ich – wie sich beim Nachschauen herausstellte – fast auf den Tag genau vor 15 Jahren geschrieben habe:
Himmelskörperbeleidigung
„und die Sonne
kocht auch nur mit Wasser
die soll sich nicht so aufspielen
die gelbe Sau“
(PeterLicht, Lied gegen die Schwerkraft)
Das Sonnenlicht fällt punktgenau
auf die vereiste Pfütze.
Die spiegelt dann die gelbe Sau
knapp unter meine Mütze,
dorthin wo meine Augen sind,
die fühlen sich geblendet.
Werd ich jetzt auf der Stelle blind,
dann hat mir Gott gesendet
die Strafe für den Tatbestand
der Frechheit vor dem Herrn:
Hab seine Sonne Sau genannt –
das hört er echt nicht gern.