Licht

In diesem Jahr

wurde wahr

ein langgehegter Wunsch:

Als Kind wollte ich gerne Pastor werden, gegebenenfalls auch Papst. Daraus wurde bislang nichts. Dafür aber durfte ich in diesem Jahr endlich und erstmals die Bühne bespielen, die so ein sakrales Gebäude bieten kann:

Im Februar stellten wir die Anthologie „Sterbenswörtchen“ auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte vor. Die dortige Kapelle hat der amerikanische Lichtkünstler James Turrell gestaltet. Während der Lesung wurde auf Effekte weitgehend verzichtet.

Danach aber zeigte die Kapelle, wie magisch

Licht

inszeniert werden

kann.

Auf der Suche nach Ror

Wenn ich das richtig sehe, gibt bzw. gab es in Deutschland je nur einen Menschen namens Wiglaf, nämlich Wiglaf Droste.

Ähnlich selten vermutlich der Vorname Ror, der genaugenommen ein Künstlername ist, den Ror Wolf  aus seinen Taufnamen Richard Georg extrahiert hat.

Um das Ror Wolf-Zitat zu finden, das ich im jüngsten Eintrag verwendet habe, befahl ich dem Rechner, in meinen gesammelten Aufzeichnungen nach „Ror“ zu suchen.  Ähnlich wie bei der Suche nach Pia (siehe weiter unten) ergaben sich bemerkenswerte Treffer:

fror

error

Horror

Verordnungen

Terror

Nachbarort

Furor

außerordentlich

allerorten

verorten

Das hätte bzw. hat dem außerordentlichen Schriftsteller Ror Wolf sicher gut gefallen, daß er in so vielen Worten in Erscheinung tritt.

Kefir am Schreibtisch

Gelegentlich schreibt Freund Andreas mir Nachrichten, die wo ich lese und denke: Weltliteratur Hilfsausdruck!

Zum Beispiel diese hier von vorgestern:

„Ich kann Euch gar nicht sagen, wie gern ich Kefir trinke. Ich kann es nur so sagen – ich trinke wahnsinnig gerne Kefir. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass der Kefir auch von mir gerne getrunken wird.“

Ich bin mir sicher, daß ihn sein Gefühl nicht trügt und der Kefir besonders gerne von Andreas getrunken wird.

Denn Lebensmittel haben auch Gefühle und die scheinbar unbelebten Dinge erst recht. Das wußte auch Ror Wolf, der im März 1983 über seine Ankunft am Bodensee folgendes in sein Tagebuch notierte:

„Kein Mensch. Manchmal ein Zug in der Ferne. Die Sonne erscheint selbstverständlich nach dieser regenreichen Fahrt nach einem kleinen Moment, der See schimmert, der Tisch, auf dem ich schreibe, ist der vertrauenswürdigste Tisch der Welt, ich liebe ihn sofort, und ich glaube, er liebt mich auch.“ 

Glücklich ist, wessen Liebe zum Schreibtisch von diesem vollror erwidert wird!

So möchte ich sterben (2)

Im Januar 2007 hat Gérard Depardieu im ´Zeit´-Interview eine Vision für sein Ende formuliert, die ich sehr anschaulich und komisch finde:

„Ich sehne mich nach dem Delirium. Es gibt da eine tiefe Sehnsucht, die meiner Natur absolut entspricht und der ich bisher noch nicht nachgegeben habe. Ich möchte drei Monate lang sturzbetrunken sein. Und dann einfach explodieren.“ 

Nachgegeben hat er dieser Sehnsucht auch in den vergangenen 17 Jahren nicht. Vielleicht ist das auch gar nicht so einfach mit dem einfach explodieren.

Zwischen Brodsky und Buck

Es tut immer ein bißchen weh, wenn gute Menschen die Stadt verlassen –  wiewohl ich verstehen kann, daß es Peter an den Rhein zieht, denn die Liebe ist ein unschlagbares Argument. Umzüge sind traditionell eine günstige Gelegenheit, um sich von Unliebsamem zu trennen. Umso mehr freue ich mich,  daß meine Bücher auch in Peters  streng alphabetisch sortiertem Düsseldorfer Regal einen Platz gefunden haben:

Lektionen (10)

„Mittlerweile mag ich die Zeit. Denn ohne die Zeit würde sich nichts ändern.“

(Richard Gere, Was ich gern früher gewusst hätte)

*

Von Zeit zu Zeit

 

Wie schrecklich, daß die Zeit vergeht

und nichts bleibt, wie es ist.

 

Wie schröcklich, daß die Zeit vergeht

und nichts bleibt, wie es ist.

 

Wie tröcklich, daß die Zeit vergeht

und nichts bleibt, wie es ist.

 

Wie tröstlich, daß die Zeit vergeht

und nichts bleibt, wie es ist.

So möchte ich sterben

Vor ein paar Tagen hat Alexander Menden in der ´Süddeutschen´ einen feinen, sehr ahnungsreichen Text über Helge Schneider veröffentlicht. Darin beschreibt er auch einen aktuellen Auftritt des Großkünstlers, der eine – wie immer – sicher nicht geplante, dafür umso unerhörtere Offenbarung bereithielt:

„In seiner Osnabrücker Show, Tee-Servierer Bodo hat ihm gerade eine Tasse gereicht, erstarrt Schneider in einer typischen Helge-Pose: leicht vorgebeugt, die Nase gerümpft, den Mund offen, das Kinn vorgeschoben. So steht er ein paar Sekunden, die sich länger anfühlen. Dann sagt er: ´So möchte ich sterben, mit 103, auf der Bühne.´ Pause. ´Ohne umzufallen.´“

Ein so komisches wie glorreiches Ende wollen wir ihm wünschen, denn wer hätte es verdient, wenn nicht der heilige Helge.

Kartoffel vs. Leberwurst

Als Ror Wolf im April 1977 nach Berlin reiste, notierte er in sein Tagebuch:

„Diese Stadt ist noch provinzieller großschnäuziger trostloser als früher. Ein durchgehend geöffnetes Krematorium. Eine breitgedrückte kalte große Kartoffel.“ 

Ich mag solche maß- und letztlich haltlosen Städte-Beleidigungen à la Thomas Bernhard. Und diese hier finde ich auch sehr komisch. Sie erinnert mich an einen Zweizeiler von Helge Schneider, den ich vermutlich mal bei einem seiner Auftritte in Berlin aufgeschnappt habe:

„Berlin Berlin, du schöne Stadt,

halb Leberwurst, halb Wien.“

Obwohl die Leberwurst es nahelegt, handelt es sich hier weniger um eine Beleidigung als um eine ziemlich zutreffende metaphorische Beschreibung.

Denn Berlin hat eine sehr repräsentative, fast prachtvolle Seite, also eine wienerische, nur nicht ganz so krass prachtvoll. Und eben eine prollig leberwurst-artige.

Leberwurst und Wien fügen sich je hälftig zu einer im Großen und Ganzen vielleicht nicht liebens-, aber doch lebenswerten Stadt, die von oben möglicherweise wie eine breitgedrückte große Kartoffel aussieht.

Wollen wir es so zusammenfassen und stehenlassen?

Ja, wollen wir.

Zwischen Frisch und Haslam

Wenn Barmann Alex ausnahmsweise mal frei hat, dann hat er auch Zeit, seine auf das Wesentliche reduzierte Bibliothek zu sortieren und einen für mich wichtigen Einblick zu dokumentieren:Wolf Haas wohnt in fast unmittelbarer Nachbarschaft, der Weg in Nachtlubs ist nicht weit und auf dem Umschlag meines Miniaturromans befindet sich – wie es sich für das Exemplar eines Baristas gehört – ein feiner Kaffeefleck. Gefällt mir!

Mein All