Es treiben wie die Triathleten

Eine Bekannte  lebte einst gemeinsam mit einer Triathletin in einer Wohngemeinschaft. Der Freund der Triathletin war ebenfalls Triathlet. In der sehr hellhörigen Wohnung konnte  meine Gewährsfrau praktisch Nacht für Nacht als Ohrenzeugin mitverfolgen, wie sportiv, leistungsorientiert, ausdauernd, lautstark und lauthals derartig durchtrainierte Menschen zu vögeln imstande sind.

Ich mache das hier öffentlich, weil ich finde, daß die Redewendung

„vögeln wie die Triathleten“

(eventuell auch in der alliterativen Variante „es treiben wie die Triathleten“) das Zeug hat zum geflügelten Wort.  Hiermit ist sie in der Welt. Ob sie Flügel bekommt, das hängt allein von Dir ab, liebe Leserin, lieber Leser.

Das nächste grosse Ding

Auf einem Sylter Holzsteg kam mir ein pfeiferauchender älterer Herr entgegen. Wie schon in meiner Kindheit empfand ich den Geruch als wohltuend. Diesen unzeitgemäßen Duft in der Nase erinnerte ich mich nicht ohne leise Scham, allerdings auch mit Heiterkeit daran, wie mein Freund Alexander und ich als vollnerdige Teenager selbst Pfeife geraucht   und einen großen, fetischartigen Zinnober drumherum veranstaltet haben – allerdings immer unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Die Peinlichkeit vons Ganze war uns dann doch wohl allzu bewußt.

Anders aber als in meiner Kindheit und Jugend ist das Pfeiferauchen  heute komplett aus der Mode – so wie vor vielleicht noch 15 Jahren Vollbärte völlig aus der Zeit gefallen schienen und ich mir ihre Wiederkehr ums Verrecken nicht vorstellen konnte. Dann aber kamen sie mit Macht – und ich war und bin – zumindest zeitweise – mittenmang dabei bei dieser Mode. Et ego in illis.

Klüger geworden prophezeie ich also jetzt und hiermit feierlich:

Das nächste große Ding:

Hipster mit Pfeife.

Maria Schnee und Gotteslob

Für all jene, die immer schon wissen wollten, was das eigentlich für ein anmutiges Kirchlein ist, das sich auf der Startseite von Sankt Neff an den Waldrand schmiegt: Es handelt sich um die Dorfkirche Maria Schnee bei Amberg. Eckhard Henscheid hat ihr in seiner gleichnamigen Novelle ein literarisches Denkmal gesetzt.

MariaSchnee

Am Gründonnerstag habe ich das Kirchlein zum inzwischen dritten Male mit dem Dichter und seiner Frau besuchen dürfen. Erstmals aber erklommen wir über eine enge Stiege die Empore. Dort setzte sich Eckhard Henscheid ans Harmonium, bedeutete mir, ich solle das Pedal für die Luftzufuhr treten und intonierte dann feierlich „Großer Gott, wir loben dich“.

So war es und so soll es sein zum frohen Osterfest.

Damit der Tag aber nicht zu heiligmäßig gerate, fuhren wir nach dem Kirchbesuch zu einem nahegelegenen Einkaufszentrum, um die oberpfälzischen Menschen beim vorösterlichen Konsum-Treiben zu observieren.  Im Kassenbereich rumstehen, nur schauen, nichts kaufen – das war dann aber auch ein fast schon wieder spirituelles Erlebnis.

Heinz Strunk weiss es

In Heinz Strunks trostlosem, höllischem, punktuell erstaunlicherweise sehr komischem, jedenfalls lesenswertem neuen Roman „Der goldene Handschuh“  geht ein gar nicht mal so sehr alter Mann in eine Disco – und verliert letzte Illusionen:

„Die Mädchen bewegen sich aufreizend, doch er ist nicht gemeint. Er versucht Blickkontakt mit einer aufzunehmen, sie mustert ihn, als wäre er ein welker  Salatkopf. Die Jungen wissen, dass die Alten alt sind.“ (S. 228)

Der letzte Satz – so einen muß man erst mal schreiben können.

Max Raabe fährt freihändig Fahrrad

Noch nicht lang her, da hing in Berlin allerorten ein Plakat, auf dem man den Sänger Max Raabe sah, wie er in Smoking und mit Fliege freihändig, die Hände in den Hosentaschen, auf einem Hollandrad durch die abendliche Hauptstadt radelt. Sehr lässig und stilvoll.

Der prominente Herr ist offenbar auch privat so. Jedenfalls erzählte mir Nachbarin Ninette von einer neulichen Beobachtung in der Kreuzberger Großbeerenstraße, die ich umgehend in ein Haiku zu gießen versucht habe:

Am Lampenladen

steigt Max Raabe aufs Fahrrad:

fährt freihändig fort.

Hochhaushohe Komik

Heute ist Dienstag. Und dienstags gibt es immer eine neue Etage. Eine neue Etage in dem Hochhaus, das die Cartoonistin und Comic-Künstlerin Katharina Greve seit ein paar Monaten im Netz hochzieht.  Angelegt hat die gelernte Architektin das Projekt auf 102 Stockwerke.  Seit heute befinden wir uns auf Etage 22.

Bisher geschah unter anderem dies:

Im 1. OG klopft die pubertierende Tochter reaktionärer Eltern bei den Nachbarn und bittet um politisches Asyl.

Im 10. OG wurde eingebrochen. Die Wohnungsbesitzer stellen fest, daß die Täter nichts mitgenommen haben. Die Frau ist darüber rechtschaffen empört: „Oh Gott, was sollen nur die Nachbarn denken?!?“

Im 15. OG sagt die alte Frau auf dem Sofa zu dem alten Mann neben ihr: „Wenn du nicht bald stirbst, lasse ich mich scheiden.“

Auf anderen Etagen begegnen wir einer Domina, einer Messi-Oma und ganz vielen ganz normalen Menschen, denen Katharina Greve unabgedroschen witzige Sätze in den Mund legt. Manches passiert auch nur nebenbei. In dem Stockwerk, das kurz nach David Bowies Tod fertiggestellt wurde, weht die Songzeile „You´re face to face with the man who sold the world“ aus dem Fenster – ohne daß das eigens erklärt wird.

Wer einem Hochhaus randvoll mit haushoher Komik beim Wachsen zuschauen möchte:

Katharina Greves Hochhaus

Und wer Katharina Greve beim Vorlesen aus ihren Cartoons und Comics erleben möchte, der kann das am kommenden Sonntag um 17 Uhr bei „Menschen auf Stühlen“ im K-Salon in der Bergmannstraße 54  tun.

Mal schauen, ob sie sich selbst ähnlich sieht:

Katharina-Greve_Portraitzeichnung

 

Schalttag

Als ich las, daß der heutige 29. Februar der „Tag der Seltenen Erkrankungen“ ist, war meine Freude groß. Denn selten – und deshalb schön – konsequent ist es, sich seltenen Krankheiten auch nur sporadisch zu widmen, so alle vier Jahre mal zum Beispiel.  Aber dann  mußte ich erfahren, daß dieser Gedenktag doch jedes Jahr begangen wird, nämlich immer am letzten Tag des Februars.  Und wieder ein Einbruch der Realität in die Schönheit.

Was schön gewesen wäre

Kürzlich im Kino

Der Mann an der Kasse sagt:

„Zweimal ´Hateful Eight´“.

Die Frau hinter der Kasse antwortet:

„Das macht dann zusammen ´Hateful Sixteen´.“

Wie schön wäre es gewesen, wenn es so gewesen wäre. TATSÄCHLICH ABER verlangte die Kassenfrau schnöde nur die fälligen 20 Euro (wegen Überlänge).
Ich hingegen halte es mit dem komischen Zeichner Bernd Pfarr, der einmal dekretierte:

„Am liebsten würde ich der ganzen  Welt die Realität austreiben.“

Blende also, wir sind ja schließlich im Kino, die schnöde Realität aus, und tue so, als wäre es gewesen, wie ich es gern gehabt hätte:

Kürzlich im Kino

Der Mann an der Kasse sagt:

„Zweimal ´Hateful Eight´“.

Die Frau hinter der Kasse antwortet anbetungswürdig geistesgegenwärtig :

„Das macht dann zusammen ´Hateful Sixteen´.“

Auf den Punkt

Was Auftritte von Bettlern und Obdachlosenzeitungs-Verkäufern in der U-Bahn gelegentlich etwas anstrengend macht, sind weitschweifige Erklärungen und zu gut gemeinte Rechtfertigungen. Wohltuend auf den Punkt dagegen diese junge Berlinerin hier:

„Entschuldigen Sie bitte die Störung. Aus finanziellen Gründen muß ich betteln. Wenn Sie vielleicht ein paar Groschen hätten.“

Mein All