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Zementmischer (23)

Bevor der Herbst endgültig das Regiment übernimmt, hier schnell noch die letzten Mitbringsel aus dem sommerlichen Italien.

Wie immer waren wir auf der Suche nach besonders malerischen Zementmischern, die aber gar nicht so leicht zu finden sind. In Orbetello entdeckte Tochter Elisabeth ein Indoor-Exemplar, das sie sicherheitshalber sofort dokumentierte:

In Arezzo dann waren wir eigentlich auf den Spuren Piero della Francescas unterwegs – und wurden schon auf dem Weg in die Altstadt mit diesem erlesenen Fundstück belohnt:

Zu schön

Kann es sein, bella Italia,

daß du manchmal,

zum Beispiel heute,

und mancherorts,

zum Beispiel in Campiglia,

etwas übertreibst:

 

mit der Bettwäsche,

duftend aufgespannt zwischen den Häusern,

mit den Fensterläden,

türkis, leuchtend gelb oder ochsenblutrot gestrichen,

mit dem Kätzlein,

das sich wälzt in einem Rechteck aus Sonne,

mit der Ape,

die sein Besitzer abgestellt hat vor blühender Bruchsteinwand,

mit dem Mann,

der in offenem Hemd auf der Stufe sitzt, rauchend, Zeitung lesend,

den Blick hebend und grüßend

die Frau auf der Vespa,

deren Kleid leicht vom Wind bewegt wird

unterm unverschämt blauen Himmel?

 

Also nochmal, bella Italia:

Kann es sein,

daß du an solchen Tagen,

an solchen Orten

übertreibst mit der Schönheit,

um dich selbst zu übertreffen,

dich, wie du im Bilderbuche stehst?

 

Bella Italia, gibs doch einfach mal zu!

Zwei Wiedehopfe

Ihr Lieblingsplatz war die Wiese

unter der Feige am Haus meiner Schwester.

Dort saßen sie und pickten,

immer zu zweit,

immer neben einander,

der linke und der rechte Wiedehopf.

Wenn sie sich erschraken

über Menschen, über Autos,

propellerten sie schnell in die Höhe,

fast gleichzeitig,

der rechte und der linke Wiedehopf.

 

Eines schönen Morgens

sahen wir einen der beiden

auf der Stromleitung sitzen,

im Gegenlicht, sehr pittoresk im Profil.

Wir fragten uns,

noch scherzhaft,

ist es der linke oder der rechte der beiden Wiedehopfe?

 

Nachmittags dann schon wieder:

nur einer der beiden

schaute uns beim Baden zu.

 

Abends schließlich,

als wir aßen

und er abermals

ganz in unserer Nähe saß,

der rechte oder der linke Wiedehopf,

ging uns auf:

Er ist allein.

Einer von beiden fehlt,

entweder der linke oder der rechte,

warum auch immer.

 

Der übrig war,

dauerte uns.

Meine Schwester fragte den Wiedehopf:

Bist du einsam?

(Foto: Andreas Günther)

Ottos mops revisited

Entschuldigt bitte die leichte Verspätung, denn eigentlich hat Ernst Jandl seinen bzw. haben wir seinen 100. Geburtstag schon vor 11 Tagen gefeiert.

Aber eben erst mit leichter Verspätung kam mir die Idee, seinem berühmtesten Gedicht – „ottos mops“ – eine Katzen-Variation gegenüberzustellen.

Here we go:

 

karlas katz

 

karlas katz ratzt

karla: wach katz wach

karlas katz macht satz

karla: jaja

 

karlas katz jagt spatz

spatzhatz macht karlas katz spaß

karlas katz schaffts

karla klagt

karlas katz schmatzt

 

karlas katz hat platz: matratz

spatz macht rabatz

karlas katz macht fratz

karlas katz kotzt

karla: arma schatz

Aschenputtel in Kreuzberg

Was spielen sich in meiner Nachbarschaft für märchenhafte Dramen oder auch dramatische Märchen ab?  Fragte ich mich morgens auf dem Weg zum Bäcker bei diesem Anblick hier:

Welches Kreuzberger Aschenputtel verlor hier seinen Schuh oder streifte ihn ab und ließ ihn liegen? Und warum nur?  Gibt es möglicherweise einen Prinz, der sich auf die Suche macht nach der Besitzerin? Das könnte allerdings schwierig werden, wie sich ein paar Meter weiter herausstellte:

Zwei hochhackige Schuhe liegen morgens verloren auf dem Trottoir. Wer macht ein Gedicht draus, eine Erzählung oder einen Roman?

Als ob

Oh weh!

Wenn Kirche versucht, sich „zeitgemäß“ an die Gläubigen oder eben Ungläubigen zu wenden, dann wirds schnell peinvoll. Ich möchte auch nicht www.gott.net in den Rechner eingeben. Lieber stoßseufze ich mit meinem Freund Andreas:

„Lieber Gott, mach, daß es dich gibt!“

Die metaphysische Obdachlosigkeit des aufgeklärten Menschen,  seine Suche nach Sinn, Trost und Rat –  sehr kunstvoll bringt sie  auch Julian Barnes in einem Buch über den Tod – „Nichts, was man fürchten müsste“ – auf den Punkt:

„Ich glaube nicht an Gott, aber ich vermisse ihn.“

Und der mit 82 Jahren sicher schon ein wenig weise Günter Wallraff hat das gleiche Paradoxon in einem Interview mit der ´Süddeutschen Zeitung´ an diesem Wochenende witzig in Worte gefasst:

„Ich muss aufpassen, dass ich als bekennender Agnostiker nicht am Ende noch zu einem gläubigen Menschen werde, aber davor bewahre mich Gott.“ 

Treten wir also in diesem heiteren Sinne einen Schritt zurück,  verzeihen auch der Kirche kleinere Fehltritte und freuen uns des Anblicks dieses schönen und schön gelegenen Gotteshauses in Bad Belzig:

Mit dem Fahrrad zur Tankstelle

Neulich sonntags fuhr ich in Bad Belzig mit dem Fahrrad zur Tankstelle, um mir sehr ausnahmsweise eine Cola zu kaufen. Und ebenfalls sehr ausnahmsweise ließ ich mein Rad draußen unabgeschlossen stehen.  Denn, dachte es in mir: Es gibt ja wohl kaum einen Ort, an dem Fahrraddiebstahl so unwahrscheinlich ist wie an einer Tankstelle. Schließlich sind alle anderen mit dem Auto oder dem Motorrad da, haben also kein Interesse an Fahrrädern, nehmen sie vermutlich nicht mal wahr.  Was andererseits vielleicht doch vorstellbar ist: Jemand kommt aus der Tankstelle, sieht ein nicht unschickes, noch dazu unabgeschlossenes Fahrrad, schnappt es sich kurz entschlossen, wirft es in seinen Kofferraum – und braust damit davon. Ganz ohne Vorsatz, ganz spontan, ganz schlicht, weil die Gelegenheit sich bietet.  Aber sehr wahrscheinlich ist es nicht, oder?

Macht dreimal rum

Ich mochte immer sehr den Titel von Margarete Stokowskis feministischem Sachbuch

„Untenrum frei“.

Da schwingt soviel mit: „Untenrum“ als lustig vages Synonym für den sogenannten Genitalbereich, das Sich-frei-Machen im wörtlichen wie im übertragenen Sinne.

Unter anderem ums Untenrum ging es auch in einem Interview, das ich neulich im Radio gehört habe. Befragt wurde die Autorin Susanne Rehlein, die mit „Ab ins Bett“ ein Buch über „sexuelle Späterziehung“ geschrieben hat.  These: Wie Sex „geht“, hat kaum eine und einer so richtig gelernt, weswegen auch und gerade nicht mehr junge Menschen ein bißchen Nachhilfe gut gebrauchen können.

Die Moderatorin verwendete im Laufe des Interviews zwei Wörter, die ich sehr sprechend und bildhaft fand. Das nicht selten unbeholfene geschlechtliche Miteinander bezeichnete sie als

„Rummurksen“,

den klemmigen Versuch, sich über die wechselseitigen Vorlieben und Abneigungen zu verständigen als

„Rumdrucksen“.

Das Rumdrucksen übers Rummurksen untenrum

– macht insgesamt dreimal rum.