Alle Beiträge von Sankt Neff

Voll übertrieben

Manchmal gibt es auch auf Wikipedia etwas zu lachen.

Ich las dort einen Eintrag über Georges Simenon, der nicht nur berühmt ist für seine literarische Produktivität, sondern auch sagenumwoben im Hinblick auf die Anzahl seiner sexuellen Begegnungen – ein Mythos, an dem er selbst wohl mächtig geschraubt hat:

„Er behauptete in einem Gespräch mit Fellini, in seinem Leben mit 10.000 Frauen geschlafen zu haben, darunter 8.000 Prostituierten.“

Aber stimmt das den überhaupt?

„Der Biograf Fenton Bresler ging ausführlich der Glaubwürdigkeit der Zahl nach.“

Was man halt so macht als sorgfältiger Biograf. Unter anderem sprach er auch mit Simenons zweiter Ehefrau:

„Denise behauptete, ihr Mann übertreibe, sie hätten gemeinsam eine Zahl von 1.200 ausgerechnet.“

Diesen Satz fand ich dann doppelt und dreifach lustig:

Bei realistischer Betrachtung hat Georges Simenon also nur mit 1.200 Frauen geschlafen.

Das wissen wir, weil seine Ehefrau und er sich am Küchentisch zusammengesetzt haben, mit Papier und Bleistift, um jetzt aber mal eine tatsächlich belastbare Größenordnung zu errechnen.

Doch, diese Vorstellung finde ich wirklich sehr lustig.

Öö

Habe ich Euch eigentlich schon von meiner derzeitigen Lieblingsband erzählt, den „Strottern“ aus Österreich?

Lehrer-Matthias aus der „Bar Italia“ hat mich auf sie gebracht. Gemeinsam besuchten wir dann im vergangenen Jahr ein Konzert der Band in der „Bar jeder Vernunft“.

Und live erlag ich vollends dem Charme dieses Duos, der unerhörten Langsamkeit ihrer Lieder, den sparsamen und dennoch reichhaltigen Arrangements mit Gitarre, Geige und zweistimmigem Gesang. Eigentlich mag ich Geige gar nicht, wohl aber, wenn Klemens Lendl sie zupft.

Und die Texte sind so gut, geschrieben vom Sänger Lendl selbst oder aber von Autoren wie Daniel Glattauer, Peter Ahorner und Stefan Slupetzky. Letzterer hat auch den Text zu meinem Lieblingslied der „Strottern“ verfaßt –  „Vogerl, Hund, Krot“ -, das die Unbill des Lebens sehr komisch auf den Punkt bringt:

„Waun a si tummön muass,

san olle Aumpön rod,

waun a sei Ruah wü,

mocht wer an Bahöö.

Waun ar a Bradl b´stööt,

kriagt a grod an Salod,

waun ar in Essig suacht,

findt a nua´s Öö.“

Mir geht das Herz sperrangelweit auf bei einer Sprache, in der ein Wort aus nur zwei ö bestehen kann, das sich dann noch dazu auf ein lautmalerisches Kunstwerk wie  „Bahöö“ reimt.

„Vogerl, Hund, Krot“ gibt es als inszeniertes Musikvideo. „Die Strottern“  Klemens Lendl und David Müller sitzen am Tisch eines angejahrten Kaffeehauses, der Autor des Liedes, Stefan Slupetzky, kommt dazu:

Übrigens: Die famosen „Strottern“ spielen am 17. März wieder in der Berliner „Bar jeder Vernunft“.

Himmelskörperbeleidigung

Beim Lauf über das Gleisdreieck heute – strahlender Wintertag mit vereinzelt vereisten Flächen – mußte ich an ein Gedicht denken, das ich – wie sich beim Nachschauen herausstellte – fast auf den Tag genau vor 15 Jahren geschrieben habe:

Himmelskörperbeleidigung

„und die Sonne
kocht auch nur mit Wasser
die soll sich nicht so aufspielen
die gelbe Sau“

(PeterLicht, Lied gegen die Schwerkraft)

Das Sonnenlicht fällt punktgenau
auf die vereiste Pfütze.
Die spiegelt dann die gelbe Sau
knapp unter meine Mütze,
dorthin wo meine Augen sind,
die fühlen sich geblendet.
Werd ich jetzt auf der Stelle blind,
dann hat mir Gott gesendet
die Strafe für den Tatbestand
der Frechheit vor dem Herrn:
Hab seine Sonne Sau genannt –
das hört er echt nicht gern.

Marmarameer

Vor vielen Jahren sah ich es nach einer circa sechzigstündigen Busreise erstmals mit eigenen Augen:

das Marmarameer bei Istanbul.

Jetzt las ich in David Wagners neuem Roman „Verkin“ wieder von ihm, erlag der reinen Sprachmusik des

Marmarameers

und ließ mich zu dieser kleinen Albernheit hinreißen:

Es war ziemlich magisch am Marmarameer –

– und trotzdem vermißte ich Barbara sehr.

Verzeiht.

Adriano und Willi

Es ist noch gar nicht so lange her, da stellte  ich beglückt fest, daß ein von mir geliebter und ein von mir verehrter Mensch am selben Tag geboren wurden. Am 6. Januar 1938, heute vor 87 Jahren, kamen Willi Brück und Adriano Celentano auf die Welt.

Letzterer lebt noch. Das wollen wir feiern mit einem meiner Lieblings-Auftritte von ihm beim Festival San Remo. Bitte schaut auf das unwiderstehliche Grinsen nach 22 Sekunden.

Ersterer könnte noch leben, wenn er nicht gestorben wäre vor 49 Jahren. Seiner will ich heute liebevoll gedenken.

Vorfreude

Vorfreude ist ja  bekanntlich – Ihr wißt schon.

Solcherlei leicht abgestandene Redewendungen klingen erstmal immer verdächtig. Nicht selten, fast oft aber ist etwas dran an ihnen.

Wie ich gerade wieder festgestellt habe.

Denn nichts ist dagegen einzuwenden, ohne große Planung, sogar spontan Konzerte oder Lesungen zu besuchen. Besonders uplifting aber wirkt sich auf die Stimmung aus, wenn du dich schon Wochen oder Monate  im voraus festlegst. Dann genügt ein Blick in den Kalender, um die Vorfreude zu schüren:

12. Januar: Lisa Bassenge

31. Januar: The Ocelots

2. März: Stuttgarter Ballett

17. März: Die Strottern

18. März: Wolf Haas

6. Juli: Erdmöbel

7. November: Helge Schneider

 

Doesn´t that look like a pretty good year?

Zementmischer (21)

An Weihnachten stehen natürlich auch die Zementmischer still.

Beziehungsweise im Museum.

Dieses pracht- und kunstvolle Exemplarentdeckte Freundin Beatrix im MUCEM, dem Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers in Marseille.  Gestaltet hat ihn der albanische Künstler Endri Dani. 

Zementmischer-Palimpseste in allen Ehren. So malerisch wie ein Zementmischer in freier Wildbahn, in einer toskanischen Kleinstadt oder an der Küste vor Nizza, kann so ein Museumsstück gar nicht sein.

Licht

In diesem Jahr

wurde wahr

ein langgehegter Wunsch:

Als Kind wollte ich gerne Pastor werden, gegebenenfalls auch Papst. Daraus wurde bislang nichts. Dafür aber durfte ich in diesem Jahr endlich und erstmals die Bühne bespielen, die so ein sakrales Gebäude bieten kann:

Im Februar stellten wir die Anthologie „Sterbenswörtchen“ auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte vor. Die dortige Kapelle hat der amerikanische Lichtkünstler James Turrell gestaltet. Während der Lesung wurde auf Effekte weitgehend verzichtet.

Danach aber zeigte die Kapelle, wie magisch

Licht

inszeniert werden

kann.

Auf der Suche nach Ror

Wenn ich das richtig sehe, gibt bzw. gab es in Deutschland je nur einen Menschen namens Wiglaf, nämlich Wiglaf Droste.

Ähnlich selten vermutlich der Vorname Ror, der genaugenommen ein Künstlername ist, den Ror Wolf  aus seinen Taufnamen Richard Georg extrahiert hat.

Um das Ror Wolf-Zitat zu finden, das ich im jüngsten Eintrag verwendet habe, befahl ich dem Rechner, in meinen gesammelten Aufzeichnungen nach „Ror“ zu suchen.  Ähnlich wie bei der Suche nach Pia (siehe weiter unten) ergaben sich bemerkenswerte Treffer:

fror

error

Horror

Verordnungen

Terror

Nachbarort

Furor

außerordentlich

allerorten

verorten

Das hätte bzw. hat dem außerordentlichen Schriftsteller Ror Wolf sicher gut gefallen, daß er in so vielen Worten in Erscheinung tritt.