Bei der zweiten Lektüre von Eckhard Henscheids Roman „Dolce Madonna Bionda“ anlässlich meines Bergamo-Aufenthalts neulich fiel mir nochmal schuppiger von den Augen, daß diese knapp 500 Seiten die reine Musik sind, rhythmisierte Prosa, ein Satz schöner und lyrischer als der andere. Hier mal ein paar Kostproben von Seite 174 f. Bernd Hammer, der Held des Romans, hat sich von Bergamo aus auf den Weg in die Toskana gemacht, in der Hoffnung, dort seine verflossene Geliebte Annemarie Mosch zu treffen:
„Hurtiger stöberten Flocken von Sonne, eilig war Hammer ja schon auf den Beinen. Um 9 Uhr wanderte er scharf weiter, hüpfend durch knallwarme Superluft. (…) Hammer griente wohlrasiert. Schlenkerte das Reisetäschchen. (…) Schon sengte strahlend Sonne. Was Blumenwirrwarr ohnegleichen! (…) Wie das letzte Häuflein einer Prozession ließ eine Mannschaft schwarzer Zypressen sich müd den Hang hinunterfallen. (…) Auf grüner Wiese ruhten sieben Entchen fein. Reckten gleichzeitig ihm Hälse zu, Flaum blond über Wirbelsehnen. Mit gutem Humor schritt Hammer rasch fürbaß. Dann ging er barfuß weiter, die Schuhe in der Tasche. Schweißschleier netzten bald die Augen. Doch Tränen ließen warten.“
Das liest sich, zugegeben, nicht so einfach weg, sondern eher Satz für Satz, Vers für Vers. Wer so tut, der wird dann zum Beispiel schon wieder auf der nächsten Seite (176) beschenkt durch eine der anmutigsten Kuh-Beschreibungen der mir bekannten Weltliteratur:
„Fast zur Gänze braun trat einsam eine Kuh entschlossen auf ihn zu. Blieb fragend, kontrollierend stehen, setzte die Beine zierer. Die Kuh schob den Kopf nach Hammer hin. Die Nüstern blähten linde. Die Augen blauten warm. Sehr himmelreich die Lider, Maul käute leise wieder. Lehrhaft ihr Blick versenkte sich in Hammer. Je dümmer der Mensch, desto schwieriger wird es für eine Kuh, ihn halbwegs richtig zu verstehn.“