Detail versus Klischee

Vor einer Woche und einem Tag ist die auch von mir verehrte Schriftstellerin Brigitte Kronauer gestorben. Sie hat bemerkenswerte Romane geschrieben, die ganz eigen sind und  nur für sich stehen: voller Liebe zum Detail, witzig, kunstvoll, prall. Nicht immer konnte ich diesen Reichtum verkraften, manche ihrer Bücher brach ich leicht erschlagen ab. Umgekehrt aber hat zum Beispiel die Lektüre des grandiosen Romans „Teufelsbrück“ über Wochen meine Wahrnehmung der Welt geprägt – untrügliches Zeichen guter Literatur.

Ich habe ein Zitat von Brigitte Kronauer gefunden, das mir sehr aus dem Herzen spricht. Es stammt aus einem Radio-Interview, das sie 2004 gegeben hat:

„Für mich sind die Details einfach die Hoffnung der Welt. Die Klischees sind für mich die Niederbügelung der Welt, die Plattschlagung der Welt. Wenn ich Literatur lese, wo ich nur auf Schablonen stoße, nur auf das, was ich schon kenne, dann kann das zwar im ersten Moment ein gewisses Wohlbehagen erzeugen, aber dann fängt es an, mich nicht nur zu langweilen, sondern mich auch trostlos zu stimmen, als wäre die Welt eigentlich nur eine ewige Wiederholung. Und das stimmt weder mit meinem Empfinden überein, noch möchte ich den Leuten so eine abgelutschte Welt in meinen Büchern darbieten.“

Zwar hat natürlich der Volksmund irgendwie recht mit der Behauptung, der Teufel stecke im Detail. Aber so wird auch – und vielleicht sogar noch mehr –  ein pantheistischer Schuh draus:

Gott steckt im Detail. 

Wie vom Donner der Erkenntnis gerührt war ich, als ich das zum ersten Mal dachte.  Um dann natürlich später wieder demütig feststellen zu müssen, daß auch dieser Gedanke schon von anderen und früher gedacht wurde.  Der Kunsthistoriker Aby Warburg zum Beispiel notierte in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts

„Der liebe Gott steckt im Detail.“

Möglicherweise aber hat sich  Warburg seinerseits diese Maxime  bei Flaubert geliehen oder Leibniz oder Spinoza.  Nicht so wichtig. Der Satz jedenfalls ist klipp und klar und wahr.

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