Hader schaut weg

Bei meinem letzten Wien-Besuch traf ich den Fotografen  Sepp Dreissinger, um ihm einen Original-Abzug seines berühmten Porträts von Thomas Bernhard im Bräunerhof abzukaufen. Der ist  jetzt geschmackvollst gerahmt in der Kreuzberger „Bar Italia“ zu bestaunen.

Dreissinger fragte mich, ob ich Lust hätte, für ein gerade entstehendes Buch einen Text zu einem seiner Fotos  beizusteuern. Hatte ich. Noch in Wien schrieb ich ihn. Dem Auftraggeber aber paßte der Text nicht so recht und er bat mich um einen neuen zu einem anderen Foto. Und so schrieb ich einen neuen Text zu einem Porträt von Harry Rowohlt. Der ward dann auch akzeptiert.

Die erste Bildbeschreibung aber war, wie ich finde, auch nicht so schlecht, zumindest zu schad für die Mülltonne. Oder?

Schaut doch bitte mal auf den Text über den Hader, der wegschaut. Beide Fotos verwende ich mit besonders freundlicher Genehmigung von Sepp Dreissinger.

Hader schaut weg

Schaut, der Hader schaut nach unten. Tut man nicht als Porträtierter. Sowas tut man an sich nicht.

Was hat sein Blick zu suchen dort unten? Was hat sein Blick dort unten gefunden? Ich weiß es, aber sags noch nicht.

Erstmal schauen wir den Hader. Sieht ganz anders aus als früher. Früher war der Hader runder. Brille rund und Züge weicher. Heute härter. Oder nicht mehr ganz so weich. Oder vielmehr eckiger, das Gesicht und auch die Brille und der ganz Haderkopf, wenn nicht gar das Haderhaupt. Haderhaupt hier Hilfsausdruck.

Wenn der Hader Brenner spielt, denke ich an den Ventura. Sein Kopf hat was von dem Ventura. Aber warum senkt er ihn? Warum schaut der Hader weg? Warum muß der Hader wegschaun?

Schaut, denn jetzt sag ich es euch. Erst schaut Hader seine Schuhe und dann denkt der Hader sich:

Nicht so gut die Haderschuhe wie die Thomas-Bernhard-Schuhe auf dem Bild vom Dreissinger, wo der Bernhard sitzt am Graben und die Kinder hinter ihm, die bemerkt der Bernhard nicht.

Schaut euch diese Schuhe an, die glänzen uns richtig entgegen, schon fast obszön glänzen die, sowas von poliert sind die. Schuhe warn dem Bernhard wichtig. Denkt der Josef Hader sich. Schlechte Schuhe tat er hassen, hat darüber auch geschrieben. Welches Buch war das nochmal? Doch das weiß der Hader nicht.

Deshalb schaut der Hader nach, auf dem Haderhandy nach. Hält das Haderhandy zwischen Haderhaupt (Hilfausdruck) und die vorhin schon erwähnten nicht so guten Haderschuhe und gibt dann bei Google ein:

„Thomas Bernhard schlechte Schuhe“.

Doch der Google tuts nicht wissen. Das ist ganz beruhigend, daß der Google auch nicht weiß, was der Hader auch nicht weiß.

Muß also einer mal so richtig zum Regal gehn, Bücher greifen in echt, blättern und die Stelle suchen. Und die Stelle endlich finden, wo der Thomas Bernhard schreibt über Seiten die Tirade von den schlechten Schuhen, die, so in etwa schreibt er nämlich, nur viel länger schreibt er nämlich, eine Weltgemeinheit sind.

Und danach dann kann es einer auch dem Josef Hader sagen, wo nochmal die Stelle ist. Und dann kann der Haderjosef schließlich seinen Blick aufheben. Und dann kann der Hader wieder schauen wie der Hader schaut.

Schauen kann er gut, der Hader. Wenn er schaut, dann kwasi Schauspiel. Wenn der Hader lächelt, auch. Dieses Haderlächeln lächelt, das schwer zu beschreiben ist. Doch ich muß es nicht beschreiben, weil es nicht zu sehen ist. Denn hier schaut der Hader weg.

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