In den neunziger Jahren besuchten wir mit einigen Freundinnen und Freunden einen Auftritt von Helge Schneider im kleinen Kölner Atelier-Theater. Kurz vor der Pause kündigte Helge mit helgehaft verstellter Stimme an:
„Ich komme gleich hoch an die Bar, möchte aber bitte nicht angesprochen werden.“
So geht es auch mir, wenn ich durch unseren Kiez laufe und schon von fern Menschen erspähe, die mich aus durchaus ehrenwerten Motiven ansprechen wollen. Ich scheue kaum einen Umweg, um das zu vermeiden.
Kürzlich warb eine junge Frau auf dem Mehringdamm neue Mitglieder für Amnesty International. Wie immer versuchte ich, ungeschoren vorbeizukommen. Sie aber ließ mich nicht passieren, sondern rief mir von der Seite zu:
„Sie haben schöne Schuhe an!“
Ich drehte mich zu ihr um und bedankte mich im Gehen für das Kompliment, nicht ahnend, daß sie erst die erste Stufe ihrer Anwerbe-Strategie gezündet hatte. Die zweite folgte sogleich:
„Können die auch anhalten?“
Wäre ich schlagfertig, hätte ich geantwortet;
„No, these shoes are made for walking.“
Bin ich aber nicht. Deshalb log ich leicht perplex:
„Nee, leider nicht.“
In diesem Moment sprang die Fußgängerampel auf rot und zwang mich und meine schönen Schuhe zum Anhalten.
Und prompt hörte ich von hinten ihre Stimme:
„Können sie ja doch.“
Keine Frage, wer hier als Siegerin vom Platz ging.
Ich hatte übrigens wirklich schöne Schuhe an: dunkelbraun, etwas spitzer, aus weichem Leder, von Clarks. Möglicherweise aber war das komplett egal, weil die Anwerberin das mit den schönen Schuhen eh zu allen Passanten sagt.