Kartoffel vs. Leberwurst

Als Ror Wolf im April 1977 nach Berlin reiste, notierte er in sein Tagebuch:

„Diese Stadt ist noch provinzieller großschnäuziger trostloser als früher. Ein durchgehend geöffnetes Krematorium. Eine breitgedrückte kalte große Kartoffel.“ 

Ich mag solche maß- und letztlich haltlosen Städte-Beleidigungen à la Thomas Bernhard. Und diese hier finde ich auch sehr komisch. Sie erinnert mich an einen Zweizeiler von Helge Schneider, den ich vermutlich mal bei einem seiner Auftritte in Berlin aufgeschnappt habe:

„Berlin Berlin, du schöne Stadt,

halb Leberwurst, halb Wien.“

Obwohl die Leberwurst es nahelegt, handelt es sich hier weniger um eine Beleidigung als um eine ziemlich zutreffende metaphorische Beschreibung.

Denn Berlin hat eine sehr repräsentative, fast prachtvolle Seite, also eine wienerische, nur nicht ganz so krass prachtvoll. Und eben eine prollig leberwurst-artige.

Leberwurst und Wien fügen sich je hälftig zu einer im Großen und Ganzen vielleicht nicht liebens-, aber doch lebenswerten Stadt, die von oben möglicherweise wie eine breitgedrückte große Kartoffel aussieht.

Wollen wir es so zusammenfassen und stehenlassen?

Ja, wollen wir.

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