Die vielleicht schönste Autofahrt meines Lebens führte von Pismo Beach nach Santa Barbara: Gleich nach dem Aufstehn gepackt, zu viert ins Auto, ausgestattet mit Kaffee und Croissants und vor allem einer liebevoll kuratierten Playlist rund um Frühstück in Amerika, Californication, kalifornische Hotels, kalifornische Träume, Sonne, Strand und hundert Highways gleiten wir mit maximal 65 Miles per hour durch die Landschaft, die die Musik, tausendmal gehörte Songs, mit komplett neuer Energie auflädt: Frau und Sohn singen gemeinsam mit Bill Withers „Ain´t no sunshine“. Das fünfundzwanzig Mal wiederholte „I know I know I know I know…“ ist eine unerhörte Meisterleistung. Ebenso wie Don McLeans ewigkeitswürdiges Lied „American Pie“, das wie die besten Songs von Meat Loaf gar nicht mehr aufhören will, sondern – man muß fast lachen – immer wieder neu beginnt, ständig das Tempo, die Stimmung, Stimme, Phrasierung verändert. Und auch ich möchte gar nicht mehr ans Ziel kommen mit dieser Musik und diesen Menschen im Auto zwischen Pismo Beach und Santa Barbara.
Zwischen Pepsi und Coca
Da cruist du kreuz und quer durch Kalifonien, von Westen nach Osten und wieder zurück, und stehst deshalb mit deinem vielschluckenden Dodge ständig an der Tankstelle, um dich in diesem Fall hier von zwei amerikanischen Ikonen rahmen zu lassen. Getrunken aber hast du weder die eine noch die andere, nämlich gar keine Cola.
Liegen lernen (8)
Tochter spielt mit Vater
Tischtennis im Garten.
Ansatzlos springt Kater
auf den Tisch. Sie warten.
Kater geht nicht weg,
macht es sich bequem
in dem Sonnenfleck.
Gibt es ein Problem?
Nein, nicht für den Kater,
liebt es halt zu liegen.
Tochter sagt zum Vater:
Werde dich besiegen.
Scharf spielt sie, und schnell,
über Netz und Tier,
endet das Duell
einundzwanzig vier.
Knackwurst war sein Leibgericht
Als ich gestern in der ´Süddeutschen´ den Nachruf von Holger Gertz auf Uwe Seeler las, der, wie es sich gehört, die komplette Seite Drei einnahm, mußte ich an Gerd Müller denken. Beide waren outstanding Stürmer, beide vermutlich eher schlichte, gutmütige Gemüter, was sich auch in ihren kulinarischen Vorlieben zeigte. Bei Müller waren es Wurstsalat und der hier schon mehrfach zitierte Marmorkuchen. Und bei Seeler? In seiner Biographie hat er es verraten:
„Ihr esst mir noch die Haare vom Kopf, stöhnte Vater manchmal, wenn er sah, was wir futtern konnten. Glücklicherweise hatte er einen Freund, der eine Schlachterei besaß. Manchmal durfte ich mit Vater zu ihm hingehen. Das war für mich stets ein Fest, denn die Knackwürste des Meisters waren prima. Und Knackwurst war mein Leibgericht.“
Besser als Müller gelang es Seeler, sich allem Ruhm zum Trotz in einem relativ normalen Leben einzurichten. Was auch damit zu tun hatte, daß er nie ins Ausland wechselte, obwohl ihm viel Geld geboten wurde. Hier danke ich Holger Gertz für ein weiteres wunderbares Fundstück aus Seelers Biographie:
„Ein Hase hoppelte über den Weg, in der Ferne gab eine verschlafene Kuh ein gedehntes Muuuh von sich. Alles war so heimatlich, so vertraut so ´zu Hause´, dass es mir schlagartig wie Schuppen von den Augen fiel: Hier gehöre ich hin – und nicht nach Italien!“
Auf Hasen sollst du hören, den Kühen sollst du trauen, denn dann kann dein Leben gelingen. Das ist Uwe Seelers Wegweiser ins Glück.
Dialog im Flur (2)
Vater kommt morgens am Mädchenzimmer vorbei, hört seine Tochter sprechen, versteht sie aber nicht:
„Was hast du gesagt?“
„Ich rede nicht mit dir, Papa.“
Vater geht weiter und Tochter wiederholt:
„Wie warm wird es heute, Google?“
Früher, als ich noch der einzig Allwissende war, hat sie mich das gefragt.
Seltene Momente (3)
Eben wieder so ein seltener Moment: Nachdem schon in den letzten Tagen die Kleingeld-Menge in meinem Portemonnaie erfreulich überschaubar gewesen war, hatte ich beim Bäcker für zwei Milchhörnchen und zwei Schrippen 2 Euro 80 zu begleichen. Und was soll ich sagen? Genau die hatte ich noch parat. Ich zahlte feierlich. Jetzt befindet sich in meinem Münzfach keinerlei in Deutschland gültiges Kleingeld mehr: nur noch eine Deutsche Mark (Nostalgie), ein Marien-Anhänger (von irgendeiner Reise), eine polnische Münze (obwohl ich ewig nicht in Polen war) und ein Einkaufswagen-Chip der untergegangenen Supermarktkette Kaiser´s, der von mir in Ehren gehalten werden will, allein schon des schönen Signets mit der lachenden Kaffekanne wegen:
Guter Grund
Ich lese zur Zeit das wirklich sehrsehr gute Buch „Die Erben der Tante Jolesch“ von Friedrich Torberg, in dem es viel zu lernen und zu lachen gibt über Kaffeehäuser und seine Bewohner, über Wien und Prag, Literatur, Theater, Film, das Exil in Hollywood und in New York und die schließliche Rückkehr nach Österreich.
Gegen Ende des Buches erzählt Torberg eine Episode aus der Mitte der Neunzehnhundertdreißigerjahre, als er für den „Prager Mittag“ Theaterkritiken schrieb und die Sportseite redigierte. Diese Anstellung aber endete ziemlich schnell. Das hatte mit dem seinerzeit sehr erfolgreichen Schwimmer Peter Fick zu tun.
„Als er wieder einmal Weltrekord schwamm, nahm ich – denn wenn beispielsweise das finnische Laufwunder Nurmi einen neuen Rekord aufstellte, wurde das ja auch als neuer Nurmi-Rekord gemeldet – nahm ich also keinen Anstand, die Meldung mit der Überschrift
´Neuer Fick-Rekord´
zu versehen. Die Herausgeber des ´Prager Mittag´ nahmen Anstand und setzten meiner Karriere als Sportjournalist ein jähes Ende.“
Fünfzehn Jahre später wurde Torberg auf einem Presse-Empfang in Berlin von einem ihm noch unbekannten Kollegen angesprochen:
„´Sie sind der Mann mit dem Fick-Rekord?´
vergewisserte er sich. Ich bejahte sowohl überrascht als auch geschmeichelt. Und erfuhr, daß er damals aus dem gleichen Anlaß vom gleichen Schicksal ereilt worden war wie ich. Er wurde entlassen , weil er die Rekordmeldung mit dem Titel
´Fick immer schneller!´
überschrieben hatte.“
Es gibt eben Menschen, die keinen guten, keinen schlechten Witz auslassen können. Meine rückhaltlose Sympathie haben sie.
Erdmöbel (viertes Konzert)
Die Welt ist ein warmer Ort.
Das Kreuzberger „Lido“ war an diesem Abend sogar ein heißer Ort. So heiß, daß der Sänger der Band „Erdmöbel“ sein Handtuch-Debüt auf der Bühne feierte. Bei der Oberbekleidung aber machte er keine Kompromisse: zitronengelber Blouson, Reißverschluß bis oben geschlossen.
Die Güte einer Band erkenne ich u. a. daran, daß ich mich beim Konzert insbesondere auf die vielen tollen neuen Songs freue, statt, wie es das Klischee will, auf die alten zu warten.
Einer der vielen tollen neuen Songs heißt „Palindrom“. Wie schön ist es, wenn der Sänger jeweils auf japanisch vorsingt und wir im Publikum korrespondierend die deutsche Übersetzung:
„Yononaka, hokahoka nanoyo –
Die Welt ist ein warmer Ort.“
Ein anderer der vielen tollen neuen Songs heißt „Das Vakuum“, und Markus Berges hat vermutlich recht, wenn er ihn als vermutlich traurigsten „Erdmöbel“-Song ever bezeichnet:
„Das Universum
ist meine große Liebe
und die Physik
verehre ich wie meine Mutter
hab sie nur kurz gekannt
sie hinterließ mir so ein warmes Gefühl
für den leeren Raum. Für das Vakuum“
Jedes Mal zieht es mir den Stecker bei „Hab sie nur kurz gekannt.“ Weil ich dann immer denke: ´Hab ihn nur kurz gekannt.´ Wer das kennt, kennt das.
Und wie schön ist es, wenn einer der vielen tollen alten Songs – „Busfahrt“ – mit der Zeile endet
„Das fiel mir ein, als ich ausstieg“,
die erst der Sänger, dann der Bassmann leiser werdend repetiert, bis das Publikum sie aufgreift und lauter werdend ad infinitum wiederholt.
So etwas passiert fast nur bei „Erdmöbel“-Konzerten. Deshalb an dieser Stelle auch spontane Liebesbekundungen zwischen Publikum und Band und Publikum.
Und wie schön ist es drittens, wenn Du unverhofft Hände auf der Schulter hast und die Stimme einer Frau im Ohr, die Dich zur „Polonaise!“ auffordert. Die ist dann, anders als in Blankenese, nicht dumpfbackig, sondern frei und lustig und eben deshalb sehr „Erdmöbel“-gemäß.
Müll
Hier:
Wie entsorge ich eigentlich so ein Schokocremeglas, das ich ja unmöglich ausspülen kann, wenn es leer ist: ins Braunglas oder ins Weißglas?
Lustige Laster aka Truckspotting (6)
Eigentlich heißt diese kleine Serie ja „Truckspotting“, weil Bademeister Matthias, Trauma-Anne und ich es uns pandemiebedingt angewöhnt haben, vor der „Bar Italia“ nach ansehnlichen, schön beschrifteten Lastern Ausschau zu halten. Kollegin Irène hatte die Serie aber lustigerweise unter „Lustige Laster“ abgespeichert und mailte mir deshalb diesen lustigen Laster hier, den sie ausgerechnet heute, wo olle Scholz doch im Zug nach Kiew gerollt ist, vor dem Haus des Rundfunks fotografiert hat.
Ich mag ja auch diese handfeste, etwas einfältige Form der Werbelyrik:
Mit Scholz da rollt´s.
Man muß sich immer entscheiden im Leben: entweder Komma oder Apostroph. Beides geht nicht.