Raus aus der Schreibblockade (2)

„In all den Jahren meines Schriftstellerlebens sind die Tage stets überwältigend in der Überzahl gewesen, an denen mir nichts zu schreiben einfiel. Das hat mich nie beunruhigt. Wenn mir nichts einfällt, stehe ich auf und mache etwas anderes; am liebsten etwas, bei dem ein Bohrhammer, eine Stichsäge oder eine Schaufel im Spiel ist.“

(Alex Capus in der ´NZZ am Sonntag´)

Was schön ist (13)

Morgens auf dem Weg zur Arbeit in die Frühlings-Sonne sehen zu dürfen, die achsentreu knapp über der Hagelberger Straße steht,dann noch auf einen Americano gehen zu dürfen in die „Bar Italia“ und entsprechend aufgetankt mit Licht und Koffein dem langen Tag frisch entgegenzuschreiten.

P.S. für Harry Rowohlt

Harry Rowohlt liebte Postscripta. Deswegen schicke ich seinem gestrigen 80. Geburtstag als P.S. eine der vielen gewitzten Sentenzen hinterher, für die er – neben seinen Übersetzungen und Hörbüchern – in Erinnerung bleibt:

„Ich habe immer ungeheuer Dusel gehabt. Ich glaube, bei uns Atheisten strengt sich Gott mehr an. Muß er ja auch.“

Diese drei Sätze haben es in sich, denn sie setzen die Logik lakonisch  und komisch außer Kraft. Der Atheist, der nicht an Gott glaubt, glaubt, daß Gott sich bei ihm besonders viel Mühe gibt. Und das aus dem Munde eines Mannes, der stimmlich wie physiognomisch noch dazu nahezu gottähnlich war.

(Das Foto stammt aus dem prachtvollen Sammelband „365 Portraits“ von Sepp Dreissinger, Album-Verlag.)

Raus aus der Schreibblockade

Hannegret Biesenbaum, Leserin dieses Blogs, hat mir einen Vierzeiler geschickt, der sich auf kleinem Raum des großen Themas Schreibblockade annimmt:

„Eigentlich möchte ich schreiben,

Wenigstens ein paar Zeilen.

Aber mir fällt nichts ein,

drum lasse ich’s sein.“

Am heutigen „Welttag der Poesie“ antworte ich ihr mit einem Ausweg aus der Schreibblockade, den ich für mich gefunden und so formuliert habe:

„Ich weiß nicht, was ich schreiben soll,

mir fehlen auch die Worte.

Ich brauch ein Stimulans – jawoll!:

Idee-Kaffee und Torte.“

Losigkeiten

Das sind die drei Zeichen unserer Zeit:

die Lieb-,

die Geist-,

die Rücksichtslosigkeit.

Ohne Rücksicht auf existentielle Nöte wird dem Besitzer des Ladens für Bilder und Bilderrahmen in der Bergmannstraße die Miete so drastisch erhöht, daß er aufgeben muß.

Vormals ein Ort mit Geist und Seele steht das Geschäft jetzt seit Monaten geistlos gähnend leer.

Falls es überhaupt absehbar wieder vermietet wird, dann vermutlich an lieblose Gastronomie von der Stange.

Die letzte Ziffer von Pi

Der Kampfkünstler und Action-Schauspieler Chuck Norris wird heute 85 Jahre alt.  Mit seinem Oeuvre bin ich nicht allzu vertraut und auch in seine dem Hörensagen nach fragwürdige Weltanschauung habe ich mich nicht vertieft.
Was ich aber mag, sind Chuck Norris-Witze, die zumeist auf seine übermenschlichen physischen und mentalen Fähigkeiten abheben bzw. auf die der Figuren, die er spielte, und die fast immer nur aus einer Zeile bestehen.
Neffe Jakob war eine Weile ein lebendiges Lexikon dieser One- oder Twoliner, von denen es im Netz unzählige gibt. Besonders gefallen mir diese drei:
 
Chuck Norris kann Drehtüren zuschlagen.
 
Chuck Norris kennt die letzte Ziffer von Pi.
 

Das Auto von Chuck Norris braucht kein Benzin. Es fährt aus Respekt.

Solcherart Witze flogen zwischen Jakob, mir und meinen Kindern hin und her.  Das Söhnchen erfand dann selbst einen:

Nicht die Hoffnung stirbt zuletzt, sondern Chuck Norris.

Nicht schlecht, oder? Zudem am 17. Juli 2017 von der Wirklichkeit verifiziert. Denn an diesem Tag überlebte Chuck Norris zwei Herzinfarkte.
(Foto: Alan Light)

Morgendlicher Dialog (3)

Vater öffnet morgens noch kurz die Tür zum Zimmer der Tochter, die heute erst zur dritten Stunde hat und deshalb länger schlafen darf, wirft ihr einen leisen Abschiedsgruß zu und bekommt von schlafumflorter Stimme zu hören:

„Bis der Schnatz kommt.“

Er versteht, natürlich, nicht recht, fragt deshalb nach:

„Was hast du gesagt?“

Sie antwortet wortgleich:

„Bis der Schnatz kommt.“

Er nimmt dieses Rätsel mit in den Tag, erzählt beim Mittagessen den Kollegen davon – und erfährt, daß es in Harry Potters Welt einen „goldenen Schnatz“ gibt.

Abends dann spricht der Vater die Tochter drauf an. Ja, den goldenen Schnatz kenne sie natürlich, nein, an den morgendlichen Dialog könne sie sich nullkommanull erinnern.

Das bisschen Liebe

Das Herz ist mir bedrückt, und sehnlich
Gedenke ich der alten Zeit;
Die Welt war damals noch so wöhnlich,
Und ruhig lebten hin die Leut’.

Doch jetzt ist alles wie verschoben,
Das ist ein Drängen! eine Not!
Gestorben ist der Herrgott oben,
Und unten ist der Teufel tot.

Und alles schaut so grämlich trübe,
So krausverwirrt und morsch und kalt,
Und wäre nicht das bißchen Liebe,
So gäb’ es nirgends einen Halt.

Tolles Gedicht, oder? Nicht von mir, obwohl ich es gern geschrieben hätte, sondern von Heinrich Heine. Es stammt aus dem „Buch der Lieder“ und erschien vor 198 Jahren.

Die Verzweiflung angesichts einer immer unwohnlicher werdenden Welt wirkt sehr heutig. Tröstlich zu wissen, daß sich schon in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts zumindest manche Menschen so gefühlt haben. Tröstlich auch zu wissen, daß die Welt dann trotzdem noch ein Weilchen weiterging, mal mehr, mal weniger wohnlich, zwischenzeitlich unbewohnbar.