DA SITZT DU AM rECHNER UND SCHREIBST SEHR EMSIG VOR DICH HIN; WILLST SO SCHNELL WIE MÖGLICH ALLES IN DIE tASTATUR HACKEN; DAMIT AUCH KEINES DER VIELEN iDEECHEN VERLOREN GEHT; DIE DIR GERADE DURCH DIE rÜBE RAUSCHEN; SCHAUST DESHALB NICHT AUF DEN bILDSCHIRM; SONDERN NUR DIR SELBST AUF DIE fINGER; UM DANN VIEL ZU SPÄT FESTZUSTELLEN; DA? DU OFFENBAR GLEICH ZU bEGINN AUS vERSEHEN DIE fESTSTELLTASTE FÜR gRO?SCHREIBUNG BERÜHRT HAST:
Abgebrochene Grossprojekte (2)
Adolph Menzel, dessen rechter Fuß ein paar Einträge weiter unten zu bestaunen ist, war als Künstler sehr erfolgreich und viel bewundert. Kurz vor seinem 60. Geburtstag griff er sich eine Kladde in der Absicht, darin sein Leben aufzuschreiben, und verzierte sie schwungvoll mit der Aufschrift:
„ich.“
Er notierte zwei Sätze über seine Herkunft und klappte die Kladde wieder zu. Ein paar Jahre später ergänzte er seine Autobiographie um nochmal zwei oder drei Sätze und brach das Vorhaben dann endgültig ab – er fand sein Leben einfach nicht interessant genug.
Daß aber auch ein uninteressantes Leben in einem Buch mit vielen Kapiteln aufgeschrieben werden kann, versuche
„ich“
gerade in aller Heimlichkeit zu beweisen. Demnächst vielleicht mehr.
P.S. Die Kladde ist Gegenstand der Menzel-Ausstellung im Berliner Stadtmuseum. Dort las ich ein bißchen im Gästebuch rum. Ein Besucher ließ sich darin etwas weitschweifig, aber nicht ganz zu Unrecht über die „altbackene“, „nicht zeitgemäße“ Präsentation der Exponate aus. Der nächste Eintrag im Gästebuch lautete dann lustig lapidar und angenehm besserwisserisch:
„Vorstehendes Quatsch.
Dr. Sowieso“
Sankt Neffs Silvester-Ansprache
Kurz bevor das alte Jahr endet und sich im nächsten und neuen vielleicht, aber hoffentlich das ein oder andere zum etwas Besseren wendet, möchte ich Euch als Euer komischer Schutz-Heiliger noch ein italienisches Sprichwort mit auf den Weg geben, das, wiewohl wohl völlig sinnfrei, mir aber, seitdem ich es vor ein paar Jahren aufschnappte, vermutlich genau deshalb regelmäßig zu Silvester wieder in den Sinn kommt, mich erheitert – und anspornt:
„Chi scopa capodanno, scopa tutto l’anno.“
Zu vielen Sprichworten gibt es Entsprechungen in anderen Sprachen. Zu diesem hier ist mir noch kein Pendant begegnet. Ich ließe mich mit Vergnügen eines Besseren belehren. Bis dahin aber gilt: So eine ausgefallene Jahresend-Sentenz haben nur die Italiener.
Also dann: Kommt gut ins neue Jahr!
Ich seh dich so gern singen
„Ich seh dich so gern sprechen.“
Diesen schönen Satz las ich einmal bei Georg Büchner. Schön, weil aus ihm leichtfüßig rhythmisiert die reine Verliebtheit spricht. Und schön, weil in ihm die Sinneswahrnehmungsebenen so mühelos miteinander verschränkt werden.
Der Satz fiel mir wieder ein, als ich merkte, wie gerne ich Ulrich Matthes beim Singen zusehe. Der Schauspieler hat mit der von mir sehr verehrten Band „Erdmöbel“ ein Weihnachtslied aufgenommen. Das dazugehörige Video zeigt ihn aus nächster Nähe beim Singen. Nichts anderes. Und deshalb gibt es so viel zu sehen.
Mir gefällt aber auch, was ich höre: keinen ausgebildeten Sänger, sondern einen Mann mit markanter Stimme, der gerne singt und das auch ziemlich gut hinkriegt. Es gibt ein paar Stellen, an denen sich Matthes ganz schön ins Zeug legen muß. Und er tut es mit – und mir zur – Freude. Fröhliche Weihnachten!
Defekt (5)
Hätte eigentlich gedacht, Poller seien unkaputtbar.
Dem aber ist mitnichten so.
Denn siehe:
In Potsdam ging neulich ein Poller kaputt.
Nur:
Stand mal wieder nicht „kaputt“ dran.
Sondern wie immer:
Also:
In Potsdam war neulich ein Poller defekt.
Klingt natürlich höchstens halb so gut wie:
In Potsdam ging neulich ein Poller kaputt.
Und nur ein Drittel so prägnant wie der Satz,
den werweiß auch schon in Potsdam
so mancher Herr zum Hund und manche Frau zum Kind sprach:
Du sollst nicht an den Poller pullern.
Das ß-Dilemma
Doof ißt, daß eß daß „ß“ nicht alß Großbuchstaben gibt. Deßhalb muß ich in den Überschriften dießes Blogß immer auf daß doppelte „S“ außweichen – ßo wie einß weiter unten:
FREMDE FÜSSE
Waß ja zur Not noch anginge. Wenn nur die ßelbe Überschrift nicht gleich nebenan in der Spalte mit den letzten Beiträgen wieder in Kleinbuchstaben angezeigt würde. Wo dann beispielßweiße jetzt steht:
Fremde Füsse
Waß scheiße außßieht. Ich prangere daß an.
Fremde Füsse
Adolph Menzel möchte ich an seinem heutigen 200. Geburtstag vor allem für sein Bild „Der Fuß des Künstlers“ feiern. Vor einigen Jahren bog ich in der Alten Nationalgalerie um die Ecke und stand unversehens und schlagartig begeistert diesem kleinformatigen Großwerk gegenüber:
In Öl und auf Holz hat Menzel 1876 gemalt, was eigentlich recht nahe liegt – in seinem Fall besonders nah, denn der Mann war wohl nur knapp Einmeterfünfzig groß -: ein Porträt seines rechten Fußes.
Naheliegend, aber in der Geschichte der Kunst doch sehr ungewöhnlich. Ein genauer Blick auf ein peripheres Körperteil, dem vermutlich ebendrum selten derart hingebungsvolle Aufmerksamkeit zuteil wird. Der Fuß ist halt sehr weit weg vom Kopf und bleibt den meisten Menschen lebenslänglich befremdlich fremd.
Auf dieser Erfahrung fußt auch das folgende Gedichtchen, das Menzel zu widmen vielleicht etwas anmaßend ist. Ich tus aber trotzdem.
Einmeterzweiundachtzig
Hier oben ist mein Kopf,
da unten ist mein Fuß.
Er scheint mir etwas fremd,
ich schick ihm einen Gruß.
Der Fuß grüßt mich zurück,
erzählt mir meine Hand.
Ich glaub, mein Fuß und ich,
wir sind jetzt gut bekannt.
Woran erkennen Sie, …
…daß Ihre Beziehung allzu symbiotisch ist? An Sätzen wie diesem hier:
„Schatz, ich glaube, du mußt mal aufs Klo.“
Lebewesen
Eines der sowohl klangschönsten als auch rätselhaftesten Wörter im Schatz der deutschen Sprache ist „Lebewesen“: Neun Buchstaben, bestehend aus fünf verschiedenen Konsonanten, die sich mit ein und demselben Vokal akkurat abwechseln:
L-E-B-E-W-E-S-E-N
Je häufiger ich mir dieses sehr symmetrische, ebenso monoton wie abwechslungsreich komponierte, zugleich abstrakt und beseelt anmutende Wort anschaue oder vorspreche, desto rätselhafter wird es mir.
Wer oder was sind eigentlich Lebewesen, fragt der rhetorisch Fragende. „Lebewesen heißen solche Dinge, die sterben können“, lese ich bei Thomas Kapielski („Neue Sezessionistische Heizkörperverkleidungen“, S. 96), der seinerseits den Zoologen und Entdecker der menschlichen Eizelle Karl Ernst von Baer zitiert.
Will sagen: Lebewesen = Sterbewesen.
Die Mikrobe kann und muß sterben, ist ergo ein Lebewesen. Das gleiche gilt für Regenwurm, Schachtelhalm, Gänseblümchen, Dackel, Kuh und Mensch. Einzig der Mensch aber ist nicht nur Lebewesen, sondern auch, wie ich bei Wiglaf Droste („Wasabi dir nur getan?“, S. 38) gelernt habe, ein Lesewesen:
„Gibt so viele Lebewesen,
aber nur ein Lesewesen.“
Alle Lebewesen können sterben, lesen aber nur der Mensch. Womit fürs Erste fast alles Wesentliche über Lebewesen gesagt sein sollte. Und hier zu lesen steht. Außer eben dem Gültigsten, was je über Lebewesen in die Welt gesetzt und gesungen wurde. Von Funny van Dannen nämlich, der deshalb hier das letzte Wort haben soll und muß:
„Vor dem Tresen hinterm Tresen
überall sind Lebewesen.“
Vom Woher und Wohin
Freund Martin ist Lehrer und ein kluger Mann. Neulich erkundigte er sich via Elektropost, ob ich eine Lösung für das Flüchtlings-Problem hätte. Seine Schüler frügen ihn immer wieder danach und er wisse keine Antwort. Mir gefiel die Herausforderung, eine große Frage mit wenigen Sätzen möglichst einfach zu beantworten. Und so gab ich mir redlich Mühe.
Gestern nun revanchierte ich mich und stellte meinem Brieffreund zwei mindestens ebenso intrikate Fragen:
Woher kommt der Haß?
Und:
Was tun gegen den Terror?
Noch am selben, späten Abend erreichte mich eine Antwort, die mir sehr einleuchtet. Nämlich diese hier:
Was ist gegen die Angst der Kinder vor dem Terror zu tun? Keine Ahnung.“
Soviel zum Woher und nun zum Wohin, mit dem sich der Sänger Jochen Distelmeyer auf seiner auch sonst sehr empfehlenswerten Platte „Heavy“ befaßt hat: