Hauptsache nicht kaputt!

Erfreulich viele Reaktionen gab es auf meinen Appell, nach „Kaputt“-Schildern Ausschau zu halten. Zwei davon sind als Kommentare zu den Beiträgen „Defekt“ und „Defekt (2)“ lesbar.

Zudem schrieb mir Wolfgang Kaes aus Bonn:

„Noch nie nie nie in meinem 57-jährigen Leben habe ich ein Schild mit der Aufschrift ´Kaputt´ gesehen. Ich kenne nur ein nettes Örtchen namens ´Caputh´ in der Nähe von Potsdam, da hat mal Albert Einstein gewohnt.“

Das stimmt natürlich. Und dort gibt es auch ein Ortsschild, auf dem

„Caputh“

steht.  Ein Foto dieses Schildes hat Jürgen Gressel-Hichert aus dem Internet kopiert und gemailt, verbunden mit der Frage, ob er dafür den in Aussicht gestellten Preis erhalte. Was leider verneint werden muß.  Auch Gerhard Rekel hat im Netz recherchiert und dort eine „Retro-Fußmatte“ mit der Aufschrift

„Klingel kaputt! Bitte laut ´Dingdong´ rufen!“

entdeckt. Diese Fußmatte kostet 24 Euro 99. Ich möchte sie bitte nicht geschenkt kriegen.

Claudio Borsato hat ein Motiv von einiger komischer Fallhöhe entdeckt und fotografiert:

Hauptsache nicht kaputt

Sein fast schon preiswürdiger Kommentar:

„Hauptsache nicht kaputt!“

Alexander Cafetzakis, der Besitzer der „Bar Italia“ in Kreuzberg, hat gar nicht erst lange nach einem „Kaputt“-Schild gesucht, sondern schnell eins selbstgemacht. Als ich die Bar am Morgen nach meinem Aufruf betrat, fand ich an der Klotür diesen süßen Fake  hier:

Kaputt

Ein schönes Fundstück tat Nicole Schidzik-Goll auf der Seite ´Notes of Berlin´ auf – einen Zettel folgenden Inhalts:

„Liebe Mitbewohner mit dem ´kaputten´ Bett

Mir macht es fast nichts aus, dass ihr Sex habt und ich nicht. Was mich aber wirklich stört: wenn ich dafür geweckt werde!!! So passiert letzte Nacht 3:45 Uhr.  Euch sollte schon klar sein, dass die Stahlbetonwände hämmernde Geräusche sehr weit übertragen.  Bitte versucht Rücksicht auf den Schlaf eurer Mitbewohner zu nehmen. Notfalls fragt den Hausmeister, ob dieser euer Bett fixieren kann. Ich bin sicher der hilft euch gern. Danke“

Diktion und Zeichensetzung dieser Botschaft lassen auf ein authentisches Dokument schließen.  Nicole Schidzigk-Goll stellt deshalb die nicht völlig unberrechtigte Frage:  „Zählt das auch??? Oder bekommt jetzt Marco aus Karlhorst den Preis???“ Nein, Marco aus Karlshorst bekommt ihn nicht, Nicole aber immerhin einen Trostpreis, nämlich diesen Zweizeiler hier:

Um Viertel vor vier früh vom Vögeln geweckt:

Ich fürchte, Herr Nachbar, ihr Bett ist defekt!

Viele findige Einsendungen – aber nicht das eigentlich Gesuchte: ein echtes, authentisches, genuines, ureigenes  „Kaputt“-Schild. Der Preis und ich warten weiter.

Defekt (3)

U 7

 

»Zurückbleiben bitte!«

drängt der U-Bahn-Lautsprecher

für gewöhnlich.

Heute jedoch

ist er defekt

mit dem Effekt,

daß ein kleines Knacken

die Botschaft völlig verändert

und an mich höchstpersönlich richtet.

Und so höre ich auf meinem Weg durch die Stadt

ein Dutzend Mal die dringende Mahnung:

»Brück bleiben bitte!«

Defekt (2)

Manche Dinge gehen offenbar so gerne kaputt,  daß die Anzeige des Defekts schon vorbereitet ist und nur noch eingeschaltet werden muß – so sie denn funktioniert.  Bei der Deutschen Bahn tut sie es:

Defekt 2

Ein leuchtend rotes „WC kaputt“ hätte mir natürlich noch besser gefallen.

Defekt

Manchmal ist ein Ding kaputt. Dann wird es mit einem Schild versehen, das anzeigt: Dieses Ding ist kaputt. Merkwürdigerweise aber steht auf dem Schild nienienie „kaputt“, sondern immerimmerimmer „defekt“.  

Defekt 1

Warum nur? Klingt „kaputt“ zu plump, zu tatsächlich und endgültig kaputt? Und „defekt“ irgendwie nobler, nach einem nur vorübergehenden, leicht behebbaren Zustand?

Wie würde ich mich freuen, ein kaputtes Ding zu entdecken, das dann auch schlicht und ergreifend als „kaputt“ bezeichnet wird.

Ein Tag in Berlin

An einem August-Tag des Jahres 2008 wurde ich Zeuge von vier kleinen Szenen, die in ihrer Gesamtheit den Reichtum des Lebens dokumentieren. Deshalb seien sie hier auch notiert:

Am Stehtisch vor einem Kreuzberger Kiosk spricht eine ältere Frau mit einem älteren Mann.

Frau: „Da sacht der doch zu mir: ´Friß nich so viel, du alte Sau!´ Ich dachte, ich hör nich richtig. Der alte Dreckstürke!“

Mann: „Deswegen habe ich ja auch immer meinen Stock dabei, da kann ich gleich zuschlagen. Der ist aus Hartholz, der geht nich so schnell kaputt.“

*

Ein Aushang in einem Friedenauer Café. Darauf das Foto einer Katze und ihres Besitzers sowie folgender Text:

  „Unsere Katze heißt ISA. Sie hat sich in der Hackerstraße erschrocken und ist weggelaufen. Sie ist sehr verschmust und hat auffälligen Mundgeruch.“

*

Im Volkspark Hasenheide eine Gruppe von Schwarzen, vermutlich Teil der dort ansässigen Dealer-Szene. Einer der Männer steht etwas entfernt und erhöht auf einem Stein. Er spricht zu den anderen mit mächtigem Organ und offensichtlich anspielend auf den kürzlichen Auftritt Obamas in Berlin – zugleich pathetisch und ironisch:

„It´s time for a change for the black people of Berlin!“

*

Wenig später, immer noch in der Hasenheide. Eine Radfahrerin verabschiedet sich von der anderen mit den Worten:

„Ich muß unbedingt daran denken, dir das ´Buddenbrocks´- Hörbuch mal mitzubringen.“

Abtauchen. Auftauchen.

Ein Mann in Berlin schreibt einem Freund in Köln eine Ansichtskarte. Postleitzahl und Stadt im Adreßfeld ergänzt er spaßeshalber um den Zusatz „Rheinland“. Erst ein halbes Jahr später erreicht die Karte ihr Ziel – nach Umwegen um die halbe Welt, wie ein Stempel verrät:

„Missent to Bangkok, Thailand

*

Ein Gymnasiast hat einen sehr sympathischen Sportlehrer. Der Sportlehrer wird Vater. Der Gymnasiast und seine Mitschüler beömmeln sich über den ziemlich ausgefallenen Vornamen, den der Lehrer und seine Frau für ihren Neugeborenen ausgesucht haben.  Mehr als 30 Jahre später wohnt der vormalige Gymnasiast 600 Kilometer weiter östlich.  Und in der Praxis seiner Frau taucht als Patient ein junger Mann mit einem ziemlich ausgefallenen Vornamen auf.

*

Eine Familie fliegt von Berlin über Mailand nach Perugia.  Beim Zwischenstopp kommt das Gepäck abhanden. Erst nach einer Woche trifft es am Urlaubsort ein. Wie sich herausstellt, war es irrtümlich von Mailand nach Peru verschickt worden.

*

Der Junge ist sieben Jahre alt, als sein Vater stirbt.  Dreizehn Jahre später macht er als junger Mann Urlaub in Südtirol. Zufällig lernt er die Tochter der Hotel-Besitzer kennen.  Sie ist dreizehn Jahre alt und wurde exakt an dem Tag geboren, an dem sein Vater gestorben ist.

Je suis Steffen.

Abendland

 

Appell zur Rettung des Abendlands

 

Kommt, retten wir mal das Abendland.

Wir sammeln ab jetzt unser Flaschenpfand.

Je mehr wir trinken, desto mehr Geld

kommt zusammen zur Rettung der westlichen Welt.

 

Zur Rettung von westlichen Werten wie

Diesseitsfreude und Blasphemie,

Herzensbildung und Faulenzerei,

der ewigen Wahrheit: Die Gedanken sind frei.

 

Wir gründen einen Förderverein,

der zahlt auf das Konto von Menschen ein,

die schwermütig sind und inkonsequent,

albern und höflich, verzagt und dezent,

 

übersensibel, hochkonzentriert,

ineffizient, gewinnminimiert,

liebenswürdig, schönheitsfixiert

leicht daneben, schwer kultiviert.

 

Kommt, bleibt noch ein bißchen, ich hol uns noch Bier,

dann trinken und singen und tanzen wir.

Alles andre ist völlig uninteressant,

denn wir retten mal eben das Abendland.

Last Minute-Vorsicht

Kurz vor Weihnachten schenke ich den Lesern, aber auch den Leserinnen dieses Blogs einen wohlmeinenden Rat, der sich aus leidvoll errungener Lebenserfahrung speist:

Vorsicht bei Geschenken auf den letzten Drücker!

Denn: Vor vielen Jahren, ich war noch ein sehr junger Mann, enthielt das Dezember-Heft der ´Titanic´ einen Last-Minute-Geschenk-Tipp zum Ausschneiden:

„Gutschein über einen Geschlechtsverkehr“.

Es handelte sich um ein Fomular, in das der Schenker nur noch den Namen der Beschenkten eintragen mußte. Ich schnitt den Gutschein also aus,  erstellte ein gutes Dutzend Kopien, die ich dann eines alkoholisierten Abends an alle erdenklichen mir bekannten Frauen verschickte. – Die überwiegende Mehrheit der Betroffenen verzieh mir diesen pubertären Joke gnädig stillschweigend.

Einige Jahre später aber saß ich mit einer Freundin in einem thailändischen Restaurant in Berlin. Wir hatten uns länger nicht gesehen, es gab viel zu erzählen. Irgendwann im Laufe des Abends  hielt sie inne, schaute mir schnurstracks in die Augen  und sagte so freundlich wie bestimmt:

„Du bist mir noch ein Nümmerchen schuldig.“

Es mag Situationen geben, in denen einen eine solche Ansage erfreut. Mich traf sie auf dem völlig falschen, nämlich zunächst verdatterten, dann doch leicht beschämten Fuß. Ende der überstrapazierten Metapher.

Inzwischen denke ich wieder ganz gerne an diese peinvolle Begegnung  mit der eigenen Präpotenz zurück. Ich will auch niemand kategorisch von vergleichbar leichtsinnigen Unternehmungen abhalten. Man sollte nur wissen, was man tut. Bzw. eben nicht, denn Leichtsinn ist ein hohes Gut.

Kurzum: Ich wollte es nur mal erzählt haben. Frohe Weihnachten!

Mein All