Alle Beiträge von Sankt Neff

Schöne Frauen

 Freund Andreas riet mir kürzlich zum Kauf und zur sofortigen Lektüre von Dennis Lehanes Büchern „In der Nacht“ und „Das Ende einer Welt“. Seine Email endete mit den dringlichen Worten:

„Vertrau mir!“

Vertrauensvoll tat ich also wie befohlen, kaufte beide Bücher, las sie rasch hintereinander und wurde tatsächlich nicht enttäuscht. Ich freute mich an guten Plots und dem lebendig beschriebenen Mafia-Milieu in Boston und Florida während der Prohibition. Der Autor kann offensichtlich, was er tut.

Was er allerdings besser vielleicht lassen sollte, ist die Finger von schönen Frauen. Denn die Beschreibungen der weiblichen Hauptfigur Emma Gould im Roman „In der Nacht“ lesen sich – zumindest in der deutschen Übersetzung – oft ein bißchen aua.

Ich zitiere einige Stellen in chronologischer Reihenfolge:

„Dann durchquerte sie den Raum, eine junge Frau in seinem Alter, um die zwanzig, mit Winteraugen und so blasser Haut, das er darunter beinahe ihre Adern und das Gewebe sehen konnte.“ (12)

„…doch das Mädchen zuckte nicht mal mit der Wimper, während hinter ihren dezembergrauen Augen helle Flammen zu lodern schienen.“ (12)

„Ihre hochgezogene Augenbraue hatte dieselbe Farbe wie ihr Haar, das wie angelaufenes Messing schimmerte und weich wie Hermelin aussah.“ (15)

„Die ganze Fahrt über wollte sie Joe nicht aus dem Kopf gehen. Ihre Hände waren weich und trocken gewesen, die Handflächen klein und rosa, die Venen an ihrem Handgelenk violett. Hinter dem rechten Ohr hatte sie einen Leberfleck, hinter dem linken Ohr keinen.“ (18)

„…doch plötzlich erhaschte er einen Blick auf ihr karamellfarbenes Haar…“ (26)

„Sie wirkte völlig unnahbar, hatte sich hinter einer Maske aus Kälte und Schönheit verbarrikadiert.“ (26)

„Er starrte auf ihr Ohrläppchen. Es sah aus wie eine Kichererbse, nur weicher.“ (33)

„Hinter Emmas hellgrauen Augen, ihrer fast transparenten Haut verbarg sich ein Wesen, das sich in eine Ecke seines Käfigs zurückgezogen hatte.“ (41)

„In diesem Licht war ihre Haut hell wie der Alabaster an den Wänden, und sie wirkte einsam, in sich versunken, als bedrücke sie ein stiller Kummer.“ (98)

Die männliche Hauptfigur Joe und die weibliche Hauptfigur Emma verlieren sich im Laufe des Romans aus den Augen. Nach einigen Jahren aber und hunderten von Seiten entdeckt er sie auf einem Foto:

„Eine Frau mit sandfarbenem Haar und dezembergrauen Augen.“ (481)

Schließlich begegnen sich die beiden auf Kuba auch persönlich wieder:

„Man konnte nicht sagen, dass die Jahre sie gezeichnet hätten, doch waren sie auch nicht eben gnädig mir ihr umgegangen. Sie sah aus wie eine schöne Frau, die von ihren Lastern nicht wiedergeliebt worden war, wie eine Frau, deren Faible für Zigaretten und Alkohol deutliche Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen hatte. Um ihre Augen hatten sich Krähenfüße gebildet, und die harten Linien um ihren Mund waren nicht zu übersehen. Trotz der schwülen Hitze wirkte ihr Haar spröde und trocken.“ (561 f.)

Ich fasse zusammen: Emmas karamellfarbenes Haar, einstmals weich wie Hermelin und schimmernd wie angelaufenes Messing, ist nunmehr sandfarben, spröde und genauso trocken wie ihre kleinen, rosa Handflächen. Die dezembergrauen Winteraugen, hinter denen früher helle Flammen loderten, von alabasterfarbenen Krähenfüßen umstellt. Zu befürchten ist, daß auch Emmas Ohrläppchen nach all den Jahren härter sind als Kichererbsen.

Ich will mich gar nicht lustig machen über Dennis Lehane, sondern nur an seinem Beispiel zeigen, wie schwer es auch professionellen Schreibern fällt, Schönheit in Worte zu fassen. Eine Erkenntnis, die ich in einem kleinen Gedicht zu bündeln versucht habe:

Von der Schönheit

Ich hab mal eine Frau gesehn –
wie soll ich die beschreiben?
Sie war so unbeschreiblich schön
– ich laß es lieber bleiben.

Merkvers

Gar nicht mal so selten  höre oder lese ich das Wort „lohnenswert“.  Das tut immer ein bißchen weh. Denn „lohnenswert“ ist ein unschöner Doppelmoppel-Bastard  aus „lohnend“ und „lobenswert“.  Damit ich ihn künftig weniger oft hören oder lesen muß, habe ich einen Merkvers geschrieben, den meine getreue Gemeinde bitte an alle weitergibt, die „lohnenswert“ sagen oder schreiben:

 Daß sich was lohnt, ist lobenswert.

Doch „lohnenswert“ ist falschverkehrt.

Zementmischer

Ich mag Zementmischer. Sie stehen für Bauen im Kleinformat, für, um es etwas pathetisch zu sagen, Bauen mit menschlichem Antlitz.  Besonders häufig anzutreffen sind sie in Südeuropa, dort gerne auch auf Baustellen, die nicht fertig werden wollen. Das sieht gelegentlich sehr pittoresk aus. Deswegen habe ich vor vielen Jahren begonnen, auf Reisen Zementmischer zu fotografieren.  Dieses Bild hier ist ganz frisch:

Zementmischer Festung Réthymnon Kreta 2017

Kreta 2017 (Foto: Astrid Köhncke)

Gleisdreieck

Was man beim sonntäglichen Dauerlauf übers Gleisdreieck nicht alles zu sehen kriegt:

Sehr apart die Frau mit den hinten zusammengebundenen Haaren, die Bluse trägt und Rock und Rennrad fährt.

Schön snobby der junge Mann, der in kurzer Hose und weißem Oberhemd joggt, die Ärmel akkurat hochgekrempelt.

Weder apart noch snobby, aber auch interessant:

Vögel, die in Fritten picken.

Auf dem Olymp

Bekanntlich ist Klugscheißerei eine unangenehme Verhaltensweise.

Bekanntlich erkennt man den Klugscheißer daran, daß er seine Sätze und Vorträge mit dem Wort „Bekanntlich“ beginnt.

Bekanntlich ist der Olymp in der griechischen Mythologie der  Sitz der Götter.

Umso erheiterter war ich,  als ich beim samstagmorgendlichen Gang zum Café dieses mobile Klo hier erspähte:

Olymp 1

Der Name zeugt nicht nur von der humanistischen Bildung des Anbieters, sondern auch von seinem Sinn für Humor.  Er stellte sich vermutlich schon bei der Namensfindung vor, wie der eine Bauarbeiter zum anderen sagt: „Ich bin mal kurz auf den Olymp.“

Gedoppelt wurde meine Freude am olympischen Toilettenhäuschen dadurch, daß ich bei seiner Entdeckung nicht allein war, sondern begleitet wurde von Sohn Theodor (bekanntlich griechisch für: Geschenk Gottes). Unterm Arm nämlich trug Theo ein Buch, das zum Klo paßte wie – sagen wir: Arsch auf Eimer:

Olymp 3

„Helden des Olymp“ – dieser Titel gewann angesichts unserer Entdeckung auf dem Bürgersteig eine ganz neue Bedeutung. Denn sind wir das nicht alle dann und wann und irgendwie: Helden des Olymp?

Der Mann der Friseuse ist tot

Der Schauspieler Jean Rochefort ist gestorben. Ich mochte ihn sehr. Zu gern hätte ich ihn als „Don Quixote“ in dem bis heute nicht realisierten, weil vom Pech verfolgten  Spielfilm von Terry Gilliam gesehen.

Unsterblich ist Jean Rochefort für mich allein durch eine einzige Szene in dem ebenso komischen wie traurigen Film „Der Mann der Friseuse“. Die Figur, die Jean Rochefort darin spielt, beschließt schon als Junge, später einmal eine Friseuse zu heiraten. Das tut er dann auch. Sein Lebensglück besteht darin, im Salon zu sitzen und seiner schönen Frau bei der Arbeit zuzusehen.  In der besagten Szene aber muß er beherzt helfend eingreifen. Schaut hin und laßt Euch hypnotisieren:

Jean Rochefort tanzt.