Alle Beiträge von Sankt Neff

Mops und Mido

Der Verleger Gerd Haffmans war zeitweilig nicht nur Lektor, sondern auch Schwiegersohn von Loriot, hatte also Einblick in den von Hunden geprägten Haushalt der Familie von Bülow. Auf die Frage des FAZ-Fragebogens, wer oder was er hätte sein mögen, antwortete er damals:

„Mops bei Bülows.“

Daran mußte ich denken, kurz nachdem der kleine Kater in unser Leben tapste, den wir dann Mido tauften. Nachbarn besuchten uns, um das neue Familien-Mitglied kennenzulernen. Zum Abschied sagte der Mann:

„Bei euch wäre ich auch gern Kater.“

Das war eines der schönsten Komplimente, das mir je zu Ohren kam. Hoffentlich ist der Kater selbst auch gerne Kater bei uns. Glaub aber schon:

Kurt Scheel wiedersehen

Wer, wie ich, Kurt Scheel vermißt, kann sich gelegentlich eine Dosis Erinnerung zuführen. Im Netz gibt es drei Clips, die seinen Auftritt in den „Bunny Lectures“ zeigen, einer Berliner Veranstaltungsreihe der Nullerjahre, in deren Rahmen neben dem Supatopcheckerbunny Ulrike Sterblich und dem Hilfscheckerbunny Stese Wagner viele schlaue und witzige Menschen aufgetreten sind. Kurt Scheel doziert hier, 2004, natürlich, über seine Parade-Disziplin, den Western, zunächst über „Der Mann, der Liberty Valance erschoß“:

Im folgenden Clip sitzt Wolfgang Herrndorf rechts neben Kurt Scheel auf dem Boden und der Entertainer Fil schaltet sich in den Vortrag ein:

Und hier spricht Kurt Scheel über Frauen im Western und im richtigen Leben:

Ein Buch, das ich nicht schreiben muß,

weil André Heller es schon getan hat:

„Schattentaucher“.

Gerade eben habe ich diese Neuauflage seines Roman-Debüts im Buchladen entdeckt und vor Glück gegrinst, weil auf den Großmeister des Kitsches schon immer Verlaß war.

Freuen wie ein Schneekönig tät ich mich, wenn er auch noch die Fortsetzungen

„Sonnenkegler“

„Nebelsegler“,

und

„Regenreiter“

in die Welt wuchten würde, der Hellerandré.

Soso, Ayda Field,

Sie und Ihr Gatte Robbie Williams wollen also keine „verwöhnten Gören“ aufziehen. Der ´Sunday Times´ verrieten Sie auch, was es braucht, um dieses löbliche Ziel zu erreichen. Während die Eltern es sich bei Flugreisen in der ersten Klasse bequem machen, müssen die Kinder (11, 9, 5) mit den billigen Plätzen der Economyclass vorlieb nehmen. So sollen Teddy, Charlie und Coco lernen, daß Komfort erarbeitet werden will. „Das ist schrecklich. Ich meine, die Leute werden denken, dass ich so ein Arschloch bin.“ Arschloch ist vielleicht übertrieben. Aber ein wenig eklig ist es schon, von Ihren Luxusproblemen samt verzweifelter Lösungsversuche lesen zu müssen. Und wäre es nicht eigentlich auch konsequenter, den Nachwuchs zu Fuß oder auf Rädchen nachreisen zu lassen? Denn ich nehme doch an, daß die armen Gören nicht mal für die Economyclass selbst aufkommen können.

Pfui Spinne, Karl-Theodor zu Guttenberg,

Sie haben sich seit Ihrer Zeit als plagiatspromovierter Popstar der Politik ja kein Deut verändert. Zwar tragen Sie, wie wir der `Süddeutschen Zeitung´ anlässlich eines Interviews entnehmen, inzwischen nicht mehr Anzug und Krawatte, sondern „Turnschuhe, Armbänder, ein legeres Sakko“, Ihr Haar ist nicht mehr gegelt, sondern „strubbeliger“, auch die glamouröse Ehe mit „Frau Stephanie, geborene von Bismarck“ gehört der Vergangenheit an. Aber sonst scheint alles wie früher zu sein. Denn auf die Frage, was Sie als „Investor, Unternehmer, Berater, jetzt auch Schriftsteller“ als Beruf angeben würden, antworteten Sie:

„Ich habe vor Kurzem in einem anderen Zusammenhang flapsig gesagt: Mensch.“

Und wissen Sie was, zu Guttenberg? Diese Antwort ist gar nicht flapsig, sondern die sich als Bescheidenheit und Besinnung auf das Wesentliche tarnende reine Eitelkeit, die wir von Ihnen kennen, seitdem Sie vor 20 Jahren ins Licht der Öffentlichkeit drängten. Bevorzugt in der Politik und auch sonst die guten alten grauen Mäuse: Sankt Neff

Eigentlich, Süddeutsche Zeitung,

gibt Susanne Klatten nur selten Interviews, erfuhr ich in deiner Einleitung zu einem ihrer seltenen Interviews, „doch jetzt will die vielfache Milliardärin sprechen“. Und so ludest du die vielfache Milliardärin „in einem sonnigen Altbau in München“ ein zu langen und breiten Anworten auf Fragen, die die PR-Abteilung der vielfachen Milliardärin nicht einladender und harmloser hätte formulieren können: „Sie haben mal gesagt, in Deutschland mangele es an Respekt für Unternehmer und Gründer. Warum?“ Oder: „Gibt es außer der grünen Wende noch etwas zu tun?“

Wer so fragt, bekommt zum einen Unternehmerinnengewäsch zu hören:

„Innovation ist nicht allein die Idee, Innovation ist die Umsetzung, also die Skalierbarkeit.“

Zum anderen unangenehme Einblicke in das Gefühlsleben einer vielfachen Milliardärin, die „Freude an Transformation“ hat, Elektromobilität und Windkraft „spannend“ findet, sich zeitweilig für den Werkstoff Carbon „begeisterte“, der aber auch das Thema Wasser „am Herzen“ liegt und die grundsätzlich gerne ihr „Bauchgefühl“ prüft, bevor sie ihre vielfachen Milliarden investiert.

Was hast du dir bei diesem Interview bloß gedacht, Süddeutsche? Dass eine vielfache Milliardärin, wenn sie sprechen will, auch sprechen dürfen sollte, egal was und worüber, Hauptsache mit dir? Das dachte ich mir.

Seltene Momente (4)

Neulich morgens nach langer Zeit mal wieder so ein seltener Moment: Vor dem Kiosk zähle ich mein vielmünziges Kleingeld und komme auf exakt 2 Euro 40. Was mich sehr erfreut, denn genau so viel kostet zur Zeit der ´Tagesspiegel´, den zu kaufen ich gerade im Begriff bin. Die Zeitung also raus aus dem Ständer und rein damit in den Laden, um zu bezahlen: „Ich hoffe, es stimmt.“ Die Verkäuferin zählt nach und  schaut einen Augenblick lang unentschlossen. Vermutlich überlegt sie, ob sie mir die Wahrheit sagen soll. Denn: Es fehlt ein Cent. Ich habe mich verzählt. Die Verkäuferin aber erläßt ihn mir. Kwasi Glückscent.

Sein Freund, der Ball

Daß der Ball Beckenbauers Freund war, ist bei jedem Blick auf ihn als Spieler offenkundig. Auch in späteren Jahren, nach seiner aktiven Zeit, war es innig, das Verhältnis zwischen Ball und Beckenbauer.  Beckenbauer am Ball – das sah immer elegant aus.

Da aber alles, alles vorbei geht, endete auch das. Im Zuge meiner intensiven Trauerarbeit stieß ich auf ein Video, das  Franz Beckenbauer im Mai 2021 auf seinem Balkon in Salzburg zeigt. Er spielt mit Hündin Frida, versucht einen Ball für sie zu schießen, was ihm erst im zweiten Versuch gelingt, dann aber immerhin mit dem Außenrist. Sei er auch noch so gezeichnet, drunter macht er es nicht:

Beckenbauer und Schopenhauer

Heute vor einer Woche starb Franz Beckenbauer, natürlich an einem Sonntag, denn er war, so sagte er selbst, ein Mensch, „in dem alle Sonntage vereint sind“.

Montags dann kursierte die Nachricht und traf mich – wie viele, die wesentliche Teile ihres Lebens mit ihm als Fußball-Spieler, Fußball-Trainer, Fußball-Funktionär und  Fußball-Schwadroneur zugebracht haben.

Seither habe ich viel gelesen und gesehen und versucht zu ermessen, was der Beckenbauerfranz nun für einer war. Als fußballspielender Junge habe  ich ihn – wie viele –  bewundert, mich später, als adoleszenter Schnösel – wie viele –  über ihn und sein Schwadronieren lustig gemacht.

Rückblickend und sub specie aeternitatis glaube ich, daß die vielen recht haben, die ihn als Libero wie als Trainer und Impressario für überlebensgroß, für eine Lichtgestalt halten, denn wo er war, war Leichtigkeit und Leichtsinn, gute Laune und Erfolg. Schon fast heiligmäßig, wie ausnahmslos gut die über ihn sprechen, die ihn persönlich kannten. Und traurig zu sehen, wie Schicksalsschläge und Krankheiten schließlich auch eine scheinbar unangreifbare Lichtgestalt erlöschen lassen.

Die Mittwochsausgabe der ´Süddeutschen´ war bei aller Traurigkeit ein Quell der Freude: kluge Beckenbauer-Exegese zog sich durch alle Ressorts. Ich freute mich über Fotosund über Zitate, die mir zeigten, daß Beckenbauer zwar einerseits ein hemmungsloser Vielschwätzer sein konnte, anderseits aber auch ein wirklich witziger Mann mit originellem Blick auf sich und die Welt. Sehr lachen mußte ich zum Beispiel über eine Anekdote, die Rudi Völler von der WM 1990 erzählt. Nach einer Halbzeit, in der Klinsman neben sich stand, soll Beckenbauer als Trainer an seine Spieler appeliert haben:

„Nicht zum Jürgen passen, der spielt heute gegen uns.“

Er war, ja, gut, sicherlich, ein großer Freund der Fußballfloskel, konnte aus Floskeln aber auch die Luft raus lassen. Auf die Frage, wie er als Trainer mit Druck umgehe, antwortete er:

„Ich lass ihn hinten raus.“

Manche Formulierungen Beckenbauers sind so auf den Punkt, so pointiert, als habe sie Gerhard Polt einer seiner Figuren in den Mund gelegt, zum Beispiel der zweite Satz dieser Selbstaussage hier:

„Ich mache ja nur deshalb seit 33 Jahren Fußball, weil ich nichts anderes kann. Wenn ich zum Beispiel einen Schopenhauer lese – ich verstehe ihn nicht.“

Was also soll kann ich sagen? Wenn ich an Franz Beckenbauer denke, dann freu ich mich an einer doch ziemlich hellen, leuchtenden, erleuchteten Gestalt, die nun, es tut ein bißchen weh, der Vergangenheit angehört.