Mensch, Menschen, Menschheit

Daß die deutsche Sprache ausgerechnet und möglicherweise aus guten Gründen für ein so zentrales Wort wie „Mensch“ nicht einen Reim bereithält: kein neuer Hut.

Heinz Rudolf Kunze besingt das Phänomen – etwas penetrant repetitiv – in seinem Lied „Eigentlich nein“:

 

„Nichts reimt sich im Deutschen auf Mensch

Nichts reimt sich im Deutschen auf Mensch

Nichts reimt sich im Deutschen

Nichts reimt sich im Deutschen

Nichts reimt sich im Deutschen auf Mensch “

 

Aber er hat ja recht, der Kunze. Im Steputat, dem einschlägigen Reimlexikon, das nach Wortenden sortiert ist, gibt es den Eintrag „ensch“ gar nicht.

Aus der Literaturgeschichte kenne ich vier Beispiele für Tricks, mit denen das Fehlen eines regulären Reims auf Mensch umgangen wird:

 

1. Heinrich Heine:

 

„Fehlt etwa einer vom Triumvirat,

So nehmt einen anderen Menschen,

Ersetzt den König des Morgenlands

durch einen abendländ´schen.“

 

2. Peter Rühmkorf verfährt ganz ähnlich, vielleicht eine Spur eleganter als Heine:

 

„Die schönsten Verse des Menschen

– nun finden Sie schon einen Reim!- 

sind die Gott­fried Bennschen“

 

3. Funny van Dannen hat es sich etwas leichter gemacht und ist in dem wundervollen Lied „Lebewesen“, das weiter unten schon mal eine Rolle spielte, lässig ins Englische ausgewichen:

 

„Sie heißen Milbe und sie heißen Mensch

Sie leben zusammen auf einer Ranch“

 

4. Diesen Trick habe nun wieder ich mir abgeschaut und in einem längeren Gedicht so variiert:

 

„Denn nichts ist so reizvoll wie Menschen auf Menschen.

Der Reim jetzt wird schwierig. Also: Attention!

Let´s switch very quickly to Menschen auf Pferden,

die am Horizont mählich zu Pünktchen werden.“

 

Schwierig ist es mit Mensch und Menschen, knifflig auch mit der Menschheit insgesamt.  Ein Problem, das naheliegenderweise Eckhard Henscheid gültig in Worte gefaßt hat:

 

„Der einzige Reim auf Menschheit

Ist nun mal – da beißt die Maus keinen Faden ab:

Eckhard Henscheid“

 

Wer sich einen Reim auf Menschheit machen möchte, kommt um Eckhard Henscheid nicht herum.  Das weiß natürlich auch Wiglaf Droste, der den Winter ganz frisch so bedichtet:

 

„Die Bäume haben keine Blätter mehr,

sie haben nur noch Blattern

Die Menschheit tut sich ähnlich schwer

und züchtet Rattennattern

 

Sie sperrt sich in sich selber ein,

späht ängstlich durch das Gatter

Misstrauisch will ich niemals sein

ich glaub, ich mach die Flatter

 

Nach Süden ziehts mich kalamarisch

zu Hacks’schen Dardanellen

Selbst bis Havanna, Kuba fahr isch

ans Meer zu Wind und Wellen

 

Und ihr? – Zählt mürrisch Geld und döst.

Lest, Vollidioten, Henscheid !

Wer einen Menschen nur erlöst

erlöst der nicht die Menschheit ?

 

Ich glaube, die Antwort lautet: Eigentlich ja.

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