Zu Ehren eines ehrenwerten Berufsstandes, der Friseure nämlich, die kein Internetz ersetzen kann und die morgen ihre Salons wieder öffnen dürfen, möchte ich an einen Herrn erinnern, der in meinem Leben am Rhein eine kleine, aber nicht unwichtige Rolle spielte. In Wirklichkeit hieß er etwas anders als in der folgenden Geschichte. Den fiktiven Namen habe ich mir bei meinem Lieblings-Märchen der Brüder Grimm ausgeliehen:
Der Herr Korbes
In der alten Zeit hatte ich einen Friseur, der hieß Herr Korbes. Er ging seinem Handwerk in einem Salon nach, in dem Damen und Herren die Haare geschnitten und gemacht wurden. Bei der Arbeit trug er einen gestärkten, weißen, kurzärmligen Kittel, in dessen linker Brusttasche sich ein Kamm und eine Schere befanden.
Wenn ich mich auf einen der Wartestühle setzte, grüßte mich der Herr Korbes mit einem Nicken über den Kopf des Kunden hinweg, um den er sich gerade kümmerte. Sobald er fertig war, bat er mich zu seinem Arbeitsplatz.
Der Herr Korbes wußte, was er zu tun hatte. Er tat es mit großer Sorgfalt, aber ohne viel Worte zu machen. Seine Miene war schwer zu deuten: stillvergnügt oder vielleicht eine Spur mißmutig?
Auf alles war Verlaß beim Herrn Korbes. Immer, immer wenn er ein gutes Weilchen gekämmt und geschnitten hatte, sagte er mit dem Anflug eines Lächelns:
„So. Jetzt haben wir wieder ein bißchen Luft auf dem Kopf, nicht wahr?“
Und ich bestätigte jedes Mal, jedes Mal präzise im selben Wortlaut:
„Genau.“
Schließlich schrieb der Herr Korbes eigenhändig die Rechnung. Der notierte Betrag war nicht zu hoch und nicht zu niedrig. Er entsprach exakt der erbrachten Leistung. Der Herr Korbes half mir wieder in die Jacke und verabschiedete mich.
So ging das jahraus, jahrein. Der Herr Korbes trat dann kürzer und arbeitete nurmehr donnerstags. Ich hielt ihm die Treue, bis ich eines traurigen Tages zum Städtele hinaus mußte. Einen wie ihn habe ich nicht wieder gefunden.