Beckenbauer und Schopenhauer

Heute vor einer Woche starb Franz Beckenbauer, natürlich an einem Sonntag, denn er war, so sagte er selbst, ein Mensch, „in dem alle Sonntage vereint sind“.

Montags dann kursierte die Nachricht und traf mich – wie viele, die wesentliche Teile ihres Lebens mit ihm als Fußball-Spieler, Fußball-Trainer, Fußball-Funktionär und  Fußball-Schwadroneur zugebracht haben.

Seither habe ich viel gelesen und gesehen und versucht zu ermessen, was der Beckenbauerfranz nun für einer war. Als fußballspielender Junge habe  ich ihn – wie viele –  bewundert, mich später, als adoleszenter Schnösel – wie viele –  über ihn und sein Schwadronieren lustig gemacht.

Rückblickend und sub specie aeternitatis glaube ich, daß die vielen recht haben, die ihn als Libero wie als Trainer und Impressario für überlebensgroß, für eine Lichtgestalt halten, denn wo er war, war Leichtigkeit und Leichtsinn, gute Laune und Erfolg. Schon fast heiligmäßig, wie ausnahmslos gut die über ihn sprechen, die ihn persönlich kannten. Und traurig zu sehen, wie Schicksalsschläge und Krankheiten schließlich auch eine scheinbar unangreifbare Lichtgestalt erlöschen lassen.

Die Mittwochsausgabe der ´Süddeutschen´ war bei aller Traurigkeit ein Quell der Freude: kluge Beckenbauer-Exegese zog sich durch alle Ressorts. Ich freute mich über Fotosund über Zitate, die mir zeigten, daß Beckenbauer zwar einerseits ein hemmungsloser Vielschwätzer sein konnte, anderseits aber auch ein wirklich witziger Mann mit originellem Blick auf sich und die Welt. Sehr lachen mußte ich zum Beispiel über eine Anekdote, die Rudi Völler von der WM 1990 erzählt. Nach einer Halbzeit, in der Klinsman neben sich stand, soll Beckenbauer als Trainer an seine Spieler appeliert haben:

„Nicht zum Jürgen passen, der spielt heute gegen uns.“

Er war, ja, gut, sicherlich, ein großer Freund der Fußballfloskel, konnte aus Floskeln aber auch die Luft raus lassen. Auf die Frage, wie er als Trainer mit Druck umgehe, antwortete er:

„Ich lass ihn hinten raus.“

Manche Formulierungen Beckenbauers sind so auf den Punkt, so pointiert, als habe sie Gerhard Polt einer seiner Figuren in den Mund gelegt, zum Beispiel der zweite Satz dieser Selbstaussage hier:

„Ich mache ja nur deshalb seit 33 Jahren Fußball, weil ich nichts anderes kann. Wenn ich zum Beispiel einen Schopenhauer lese – ich verstehe ihn nicht.“

Was also soll kann ich sagen? Wenn ich an Franz Beckenbauer denke, dann freu ich mich an einer doch ziemlich hellen, leuchtenden, erleuchteten Gestalt, die nun, es tut ein bißchen weh, der Vergangenheit angehört.

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