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Ich möchte lieber nicht, sagt der Dachs

Wie sage ich ab, wenn ich nicht kann oder mag?

Weiter unten habe ich von Herman Melvilles berühmter Figur Bartleby, dem Schreiber, erzählt, der die ihm zugedachten Büro-Aufgaben mit gleichermaßen freundlicher wie sturer Lakonie ablehnt:

„Ich möchte lieber nicht.“ 

Der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf war ein  sehr zurückhaltender und konsequenter Mensch. Die Anfrage für ein Radiointerview beschied er mit der schlichten und ehrlichen Erwiderung:

„Tut mir leid, aber ich kann das nicht.“

Etwas verspielter antwortete ein berühmter deutscher Liedermacher, der kein PR-Gewese um seinen 80. machen wollte:

„Den Geburtstag sehe ich nahen und werde mich ganz leise verkrümeln, ich sag’s mit meinem Lieblingszitat aus Kenneth Grahames wunderbarem ´Der Wind in den Weiden´: ´Der Dachs lässt schön grüßen, möchte aber auf keinen Fall gestört werden.´“

Solche Absagen machen froh. Menschen, die wissen, was sie wollen und nicht wollen, können und nicht können, die eigen sind in einem guten Sinne und – wie im dritten Fall – trotzdem verbindlich.

Schwebende Lasten

Eigentlich wollte ich nur zwei frisch gepolsterte Sessel abholen beim Polsterer und wartete darauf, daß der Lastenaufzug sie nach unten brachte. Da entdeckte ich schwarz auf gelb ein Verbot, das aber in Wahrheit die reine Poesie ist:

Wie fein hier zwischen einerseits „Aufenthalt“ und andererseits „Verkehr“ unterschieden wird! Und wie nahezu ins Transzendente weisend die Formulierung „unter schwebender Last“!!

Sofort wollte sie mich zu einem Liedchen verleiten:

„Leichter ist das Leben,

wenn die Lasten schweben.“

Weiter kam ich nicht, denn meine Lasten schwebten alsbald herab.  Als ich aber die frisch gepolsterten Sessel in den Kofferraum zu bugsieren versuchte, ereilte mich nicht aus der Höhe, sondern der Hölle ein Hexenschuß sondergleichen und holte mich zurück ins schmerzhaft Irdische.

Eselsbrücke

Auch bei denen, die vertraut sind mit der schwarzen Milch der Frühe, die ihn kennen, den Meister aus Deutschland, beobachte ich immer wieder mal eine leichte Unsicherheit, wie der Nachname des Dichters der „Todesfuge“ denn nun richtig zu betonen sei, iambisch oder trochäisch? Für all jene hier nun die ziemlich profane, dafür äußerst stabile Eselsbrücke:

Reimt sich auf Wlan.

Zementmischer (11)

Und so sieht ein ziemlich gebrauchter Zementmischer bei Nacht aus. Er steht derzeit mitten in Kreuzberg und wird dazu mißbraucht, den Garten in Riehmers Hofgarten für Menschen mit zu viel Geld auf geschmacklose Weise umzugestalten. Dazu sind die Dinger nicht gedacht. Eigentlich stehen sie an eh schon pittoresken Orten, sagen wir auf Pantelleria oder Elba, und helfen dabei, die Welt ein bißchen schöner zu machen. (Foto: Elisabeth Brück)

Hopefully

Ja, ich weiß, daß das naiv ist ist. Trotzdem will ich es als gutes Omen werten, daß ich kurz vor dem Jahrestag des Grauens auf der Avus zunächst ein Auto mit russischem Nummernschild und Peace-Zeichen im Seitenfenster überholte, gleich danach eins mit dem Kennzeichen KI – EW.

Lektionen

Weiter unten habe ich eine hilfreiche Erkenntnis aus Ian McEwans jüngstem Roman „Lektionen“ zitiert. Im aktuellen ´Zeit-Magazin´ hat der Autor weitere notiert. Unter der Überschift „Was ich gern früher gewusst hätte“ steht dort zum Beispiel:

„Es ist schön, die Namen von Bäumen, Vögeln, Insekten und Sternen zu kennen.“

Das hätte auch ich gern früher gewußt. Ein bißchen was gelernt habe ich dann mit Hilfe meiner Kinder, die dank der Unterweisung durch Frau A. bald besser waren als ich im Erkennen und Benennen von Bäumen, Vögeln, Insekten und Sternen und mich entsprechend korrigierten, wenn ich auf „Enten“ zeigte, die aber „Blässhühner“ waren.

Überall Esel

Zweimal war ich jüngst im Kino, zweimal starben Esel.

In „Triangle of Sadness“ stranden die Überlebenden eines Schiffsunglücks auf einer Insel. Vor lauter Hunger töten sie sehr unbeholfen einen Esel. Er gibt dabei schlimme Geräusche von sich. Ich mußte lachen über die Unbeholfenheit des Tötungsvorgangs und litt gleichzeitig sehr mit dem Esel – obwohl „doch nur ein Film“ und sicher no animal was harmed. Noch mehr litt Frau A. neben mir, die eine große Eselliebhaberin ist. Deshalb schenkte ich ihr auch einmal dieses Gemälde hier von Inka Gierden und Julien Collieux:Vor ein paar Tagen dann sah ich „The Banshess of Inisherin“. Schon wieder ein sehr guter Film. Und schon wieder kam ein Esel auf gruselige Weise zu Tode. Genau genommen war es wohl ein kleines Maultier. Es erstickte an den Fingern, die sich eine der beiden Hauptfiguren, gespielt von Brendan Gleeson, mit einer Schere abgeschnitten hatte, um dagegen zu protestieren, daß die andere Hauptfigur, gespielt von Colin Farrell, das Ende ihrer Freundschaft nicht akzeptieren kann. Hört sich das abwegig an? Im Film wirkt es stringent.

Der Tod des kleinen Maultiers ging Colin Farrell und allen im Kino sehr ans Herz. Vor allem der mir unbekannten jungen Frau neben mir, die mehrfach in ihr Taschentuch schniefte. Ich konnte sie gut verstehen.

In den Nachrichten hörte ich, daß ein polnisch-italienischer Film, der die Lebensgeschichte eines Esels erzählt, gerade als bester internationaler Beitrag für die Oscars nominiert wurde. Er heißt „EO“, was dem deutschen „I-Ah“ entspricht.

Was ist los? Werden europäische Fördergelder zur Zeit nur noch für Filme vergeben, in denen Esel vorkommen? Egal. „EO“ muß ich jetzt auf jeden Fall auch noch sehen.

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Der Esel in „EO“ ist, das las ich,  charakterlich angelehnt an den Esel I-Ah in „Pu der Bär“.  Falls ich es hier noch nicht erwähnt habe: Das Kapitel, in dem I-Ah Geburtstag hat, ist eine der schönsten Passagen der mir bekannten Weltliteratur.

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Sehr mag ich auch den Titel von Nick Caves Roman „Und die Eselin sah den Engel“, im Original mindestens so klangvoll: „And the Ass saw the Angel“.

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Zu erzählen wäre hier eigentlich noch die Geschichte von Freund Jo und seinem Somali-Wildesel – ein andermal vielleicht.

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In Italien begegnete mir vor nicht wenigen Jahren ein sehr kleiner Esel. Objektiv betrachtet war er sicher alles andere als furchteinflößend. Trotzdem traute ich mich nicht an ihm vorbei. Diese heldenhafte Geschichte ihres Vaters erzählen meine Kinder bis heute.