Eben leben in Ebeleben

Ich weiß nicht sehr viel über Martin Luther. Außer das mit den Thesen und dem Tintenfaß und dem Teufel. Und daß im Jubiläumsjahr 2017 Margot Käßmann Luthers Stellvertretreterin auf Erden war. Achso, seinen Geburts- und Sterbeort kenne ich natürlich auch:

Geboren 1483 in Eisleben, gestorben 1546 ebenda.

Eisleben: Ich konnte mir das deshalb so gut merken, weil ich immer gedacht habe: Da hat er aber Glück gehabt, der Luther, daß er nicht in Scheißleben geboren und ebenda gestorben ist.

Den Ortsnamen Scheißleben gibt es nicht. Könnte es aber geben. Das weiß jeder, der mit offenen Augen durch Ostdeutschland reist. Denn in Ostfalen, im Thüringer Becken und auch in Brandenburg hat es keinen Mangel an Ortsnamen, die geeignet sind, den Blick auf das irdische Dasein zu verfinstern. Wanderer, kommst du nach Bösleben oder Haßleben, nach Aschersleben, Sargleben oder Grabsleben, mach, daß du schnell wieder wegkommst, wenn dir dein Leben lieb ist.

Das Leben aber ist eben nicht lieb, sondern neigt zur Düsternis und zum Zynismus: Wohl gibt es in Berlin die Ortslage Witzleben rund um den Lietzensee, einen Weiler namens Liebesleben aber sucht man im deutschsprachigen Raum vergeblich.

Nicht ganz unverlockend als Reiseziel erscheint mir allenfalls die kleine Gemeinde namens Ausleben, die in der Nähe von Oschersleben gelegen ist. Was viele nicht wissen: Am 1. Juli 1950 wurden die Orte Ottleben und Warsleben in Ausleben eingemeindet. Wer aber denkt, daß sich in Ausleben die Swinger-Clubs und SM-Studios knubbeln, hat sich getäuscht. Vielmehr gibt es in allen vier Ortsteilen evangelisch-lutherische Kirchen. Sie gehören übrigens zum Kirchspiel Hamersleben. Aber das nur nebenbei.

So ungut die Assoziationen sind, die viele der Ortsnamen mit –leben hintendran vermitteln, einige von ihnen erheitern immerhin durch Klang:

Pripsleben, Irxleben, Elxleben, Erxleben, Merxleben.

Mein Lieblings-Leben-Ortsname aber ist Ebeleben. Zum einen wegen seines e-basierten Wohlklangs. Zum anderen, weil er mich an ein lustiges Gedicht von Dorothy Parker erinnert. Es handelt von Selbstmord und geht so:

 Rasierklingen ritzen

Flüsse sind naß

Säuren spritzen

Gift macht blaß

Schlingen muß man knoten

Schüsse gehn daneben

Sprengstoff ist verboten

Bleibste eben leben

Lakonischer läßt sich ein fröhlicher Fatalismus doch nicht auf den Punkt bringen als in diesen drei Worten: Bleibste eben leben. Und sei es eben in Ebeleben.

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