Wer zum Teufel ist Sankt Neff? (4)

„An der Anlegestelle für das Schiff nach Teufelsbrück mußte Sankt Neff eine Weile warten. Er setzte sich in das nach vorn offene Haltestellenhäuschen, las dort türkische Sprüche, deutsche Vornamen, ´fuck´, unverdrossen ´fuck´, ein gewissenhaftes Satzzeichen, ein Taktstrich: ´fuck´.“

(Brigitte Kronauer, „Teufelsbrück“)

Neulich in Kreuzberg (4)

Auf dem Fahrrad sitzt der Vater und tritt.

Mit dem Rücken zu ihm, auf dem Gepäckträger, sitzt die Mutter und zieht.

Zieht einen Kinderwagen, in dem, ich kann es nicht sehen, wohl ein Baby liegt.

Der Vater tritt. Die Mutter zieht. Und singt. Das Baby liegt, spürt vielleicht den Fahrtwind, sieht und hört die Mutter singen.

Und ich: schau es an, das Familien-Idyll, mit Verwunderung und Wohlgefallen.

Mit der Mundharmonika für Europa

Ich bin ein großer Freund der Mundharmonika. Immer wenn ich eine  höre, freue ich mich.   Sie ist so ein unprätentiöses Instrument. Eine zugleich komische wie anrührende Fallhöhe entsteht,  wenn ein Mann mit Schlips und Kragen in einem Parlament auf diesem unprätentiösen Instrument eine Hymne spielt.  Der slowenische Abgeordnete Alojz Peterle verabschiedet sich in der letzten Sitzung des Europa-Parlaments vor der Wahl von seinen Kolleginnen und Kollegen:

Für mich ein wirklich beflügelnder  Beitrag zur Popularisierung der europäischen Idee.  Gut geblasen (und gezogen), Herr Peterle!

Pferdewechsel in der Hochzeitsnacht

Ich mag Ben Stiller. Wenn er mitspielt, ist es für mich nicht so entscheidend, ob der Film insgesamt gut ist. Hauptsache mit Ben Stiller. Ich schaue ihn einfach gerne an. Ich schaue ihm einfach gerne zu. Kürzlich empfahl mir Kollegin Janin einen Ben Stiller-Film, der mir bis dato entgangen war:

„Nach 7 Tagen – Ausgeflittert“.

Er handelt von einem Mann um die vierzig (Ben Stiller), der ein wenig bindungsscheu ist, dann aber, angetrieben von Vater, bestem Freund und Torschlußpanik, überstürzt heiratet. Schon auf der Autofahrt in die Flitterwochen, beginnt er zu ahnen, daß er die falsche Frau geheiratet hat.

Dieser Erkenntnisprozeß ist sehr komisch inszeniert. Die Frau singt bei jedem Lied, das im Autoradio läuft, inbrünstig mit. Eigentlich süß, aber auf Dauer eben nervtötend. Auch die Hochzeitsnacht, die tagsüber stattfindet, verläuft anstrengend für den Bräutigam. Denn die Braut ist extrem fordernd, frönt unaufhörlich dem dirty talk und verlangt nach ausgefallenen Stellungen. Ziemlich erschöpft schlägt Ben Stiller einen Wechsel zur Missionarsstellung vor. Die Braut schaut etwas verdutzt und sagt dann:

„Okay, wie geht die?“

Im ersten Drittel des Films gibt es also viel zu lachen. Danach verliert er etwas an Fahrt und Witz. Ist aber nicht so schlimm, denn Ben Stiller spielt ja mit. Außerdem sein Vater Jerry Stiller, der auch im Film sein Vater ist. Er mag Frauen mit großen, operierten Brüsten und nervt seinen Sohn mit Fragen wie, wieviele „Muschis“ er denn so in den letzten Monaten „klargemacht“ habe.

Der Film ließ mich trotz der erwähnten Schwäche gutgelaunt zurück. Im Netz las ich noch ein wenig nach und fand heraus, daß sein Original-Titel schlicht

„The Heartbreak Kid“

lautet. Es handelt sich um die Neufassung eines gleichnamigen Films aus dem Jahr 1972, der im deutschsprachigen Raum nicht nur unter dem ziemlich wörtlichen Titel

„Der Herzensbrecher“

kursierte, sondern auch unter dem sehr schön danebenen

„Pferdewechsel in der Hochzeitsnacht“.

Alles andere als eine wörtliche Übersetzung, eigentlich nicht mal eine sinngemäße, sondern eine frei erfundene, durchaus bewundernswert kreative Nachdichtung. Dankbar aber bin ich dem, der oder denen, der, die oder die sich das ausgedacht haben, daß er, sie oder sie immerhin zurückschreckt ist oder sind vor

„Stutenwechsel in der Hochzeitsnacht.“

Doch, da muß man dankbar sein.

O

Die App, mit der ich versuche, Italienisch zu lernen, bat mich eben, den Satz

„Sie schlafen zu wenig.“

zu übersetzen.

Auf Deutsch ist das ein unauffälliger Satz, auf Italienisch einer von sonorer Schönheit:

„Loro dormono troppo poco.“

Noch nie sooooooooo viel o auf so engem Raum gesehen.

Wieder in Wien

Im Museum gewesen,

Bilder geschaut:

viele von Schiele.

*

Gekrümmte Körper,

weit gespreizte Beine.

*

Neben einer bekleideten Frau,

die ich nicht kenne,

auf eine unbekleidete schauen,

die ich auch nicht kenne.

*

Die Frau meines Freundes

tät gut hierher passen

mit ihrer Physiognomie,

die gefallen ist aus der Zeit

– tiefliegende Augen, leicht asymmetrisches Gesicht –

und ihren dunklen, lockigen Haaren.

Von Klimt gemalt oder von Schiele,

üppig gekleidet,

tät gut sie herpassen.

*

Je länger ich verweil im Museum,

desto häufiger wende ich den Blick

weg von den Bildern

hin zu den Besuchern.

Nicht der Eigensinn, Mario Barth,

ist es, der Ihnen zufolge den Männern fehlt, auch nicht das Eigenheim, die Eigensucht oder der Eigenurin. Vielmehr hätten Männer, so Sie, im Unterschied zu Frauen, keinen „Eigenhumor“. Was man daran erkennen könne, dass Männer auf Witze über Männer „eher sauer“ reagierten. Stimmt das denn wirklich? Ich habe mich und einige andere Männer gefragt. Die Antwort lautete durchgängig: Nein, wir haben viel, sehr viel Eigenhumor, verfügen sogar teilweise über Eigenironie, können richtig ausgelassen lachen über Witze, die auf unsere oder Kosten anderer Männer gehen. Eher sauer reagieren wir nur dann, wenn diese Witze, wie sollen wir sagen, nicht gut sind, ungut, erwartbar, sprachlich unbeholfen, abgedroschen, dumpfbackig, die immergleichen Klischees bedienend. Sie wissen sicher, was wir meinen. Und nehmen diesen Hinweis mit dem selbst Ihnen eigenen Eigenhumor. Nichts für ungut.

Mein All