…daß Ihre Beziehung allzu symbiotisch ist? An Sätzen wie diesem hier:
„Schatz, ich glaube, du mußt mal aufs Klo.“
…daß Ihre Beziehung allzu symbiotisch ist? An Sätzen wie diesem hier:
„Schatz, ich glaube, du mußt mal aufs Klo.“
Eines der sowohl klangschönsten als auch rätselhaftesten Wörter im Schatz der deutschen Sprache ist „Lebewesen“: Neun Buchstaben, bestehend aus fünf verschiedenen Konsonanten, die sich mit ein und demselben Vokal akkurat abwechseln:
L-E-B-E-W-E-S-E-N
Je häufiger ich mir dieses sehr symmetrische, ebenso monoton wie abwechslungsreich komponierte, zugleich abstrakt und beseelt anmutende Wort anschaue oder vorspreche, desto rätselhafter wird es mir.
Wer oder was sind eigentlich Lebewesen, fragt der rhetorisch Fragende. „Lebewesen heißen solche Dinge, die sterben können“, lese ich bei Thomas Kapielski („Neue Sezessionistische Heizkörperverkleidungen“, S. 96), der seinerseits den Zoologen und Entdecker der menschlichen Eizelle Karl Ernst von Baer zitiert.
Will sagen: Lebewesen = Sterbewesen.
Die Mikrobe kann und muß sterben, ist ergo ein Lebewesen. Das gleiche gilt für Regenwurm, Schachtelhalm, Gänseblümchen, Dackel, Kuh und Mensch. Einzig der Mensch aber ist nicht nur Lebewesen, sondern auch, wie ich bei Wiglaf Droste („Wasabi dir nur getan?“, S. 38) gelernt habe, ein Lesewesen:
„Gibt so viele Lebewesen,
aber nur ein Lesewesen.“
Alle Lebewesen können sterben, lesen aber nur der Mensch. Womit fürs Erste fast alles Wesentliche über Lebewesen gesagt sein sollte. Und hier zu lesen steht. Außer eben dem Gültigsten, was je über Lebewesen in die Welt gesetzt und gesungen wurde. Von Funny van Dannen nämlich, der deshalb hier das letzte Wort haben soll und muß:
„Vor dem Tresen hinterm Tresen
überall sind Lebewesen.“
Freund Martin ist Lehrer und ein kluger Mann. Neulich erkundigte er sich via Elektropost, ob ich eine Lösung für das Flüchtlings-Problem hätte. Seine Schüler frügen ihn immer wieder danach und er wisse keine Antwort. Mir gefiel die Herausforderung, eine große Frage mit wenigen Sätzen möglichst einfach zu beantworten. Und so gab ich mir redlich Mühe.
Gestern nun revanchierte ich mich und stellte meinem Brieffreund zwei mindestens ebenso intrikate Fragen:
Woher kommt der Haß?
Und:
Was tun gegen den Terror?
Noch am selben, späten Abend erreichte mich eine Antwort, die mir sehr einleuchtet. Nämlich diese hier:
Was ist gegen die Angst der Kinder vor dem Terror zu tun? Keine Ahnung.“
Soviel zum Woher und nun zum Wohin, mit dem sich der Sänger Jochen Distelmeyer auf seiner auch sonst sehr empfehlenswerten Platte „Heavy“ befaßt hat:
Ende Oktober unter deutschen Rentnern in Los Christianos auf Teneriffa:
Die am hellichten Mittag bei Kaffee, Bier und Zigaretten an der Promenade sitzen, begrüßen die, die in kurzer Hose und mit nacktem Oberkörper zum Strand schlendern:
„Das Wasser ist noch da.“
Darauf die Schlendernden:
„Das ist gut. Macht euch nen schönen Tag.“
Darauf wieder die Sitzenden:
„Was bleibt uns übrig.“
Vielleicht handelt es sich hierbei um eine spezielle Form des Galgenhumors derjenigen, die bis zum Tode verurteilt sind zu Sonnenschein und Badeurlaub.
Wiglaf Droste, der am Sonntag gemeinsam mit dem Geiger Gerhard Uebele und mir bei „Menschen auf Stühlen“ auftreten wird und den ich darob um ein Pressefoto bat, ließ mir dieses entzückende Bild hier zukommen:
Abgesehen von der Katze, die sich so kompromißlos wie wild entschlossen in den Vordergrund drängt, gefällt mir besonders gut die starke Körper- und Gesichtsbehaarung der Wiglaf-Puppe.
Wer wissen will, wie ähnlich die Puppe Wiglaf Droste sieht bzw. Wiglaf Droste der Puppe:
Zu besichtigen ist der echte Mann am Sonntag, 8. November, um 17 Uhr im Kreuzberger K-Salon, Bergmannstraße 54. Den Part der Katze übernehmen abwechselnd Gerhard Uebele und ich.
Ich stand als deutscher Tourist in einem Dubliner Pub und durfte erleben, wie beneidenswert die Einheimischen zu singen, zu tanzen, zu fiddeln und zu feiern verstehen. Zum wiederholten Male dachte ich auf dieser Reise:
„Ich wäre so gerne einer der Iren.“
Da bist du im Kino und weißt neben dir im Dunkeln deine Frau, bist absorbiert vom Spiel des Lichts auf der Leinwand, bis du unvermittelt einen Hauch spürst an deinem rechten Ohr, einen Hauch, der sich in drei unerhört schlichtschöne Wörter wandelt: Sei mir gut.
In diesem Fall ist nicht nur die Kaffemaschine in der Kantine defekt, sondern auch die Orthographie: zwei Wörter, zwei Fehler. Worüber ich mich keineswegs lustig machen will. Im Gegenteil, ich finde die Kombination aus Rechtschreibschwäche, Mädchenschrift und dem Bemühen um gehobene Ausdrucksweise („defekt“ statt „kaputt“ oder „geht nicht“) ausgesprochen niedlich.
Der olle Kapielski, dessen Bücher ich wieder und wieder lesen kann, vor allem wenn mir die Lust auf Romangedöns wie Handlung, Beschreibung und Dialog fehlt, der olle Kapielski also hat in „Mischwald“ (S. 121) die Ambivalenz vons Janze vortrefflich auf den Strichpunkt gebracht:
„Das Dasein ist ja doch sehr interessant und unbegreiflich schön; wenn nur das schnöde Hiersein nicht wäre.“
*
Sehr interessant und unbegreiflich schön aber auch die noch lakonischere Zusammenfassung des Dahierseins, die mir Freund Andreas elektropostalisch zukommen ließ:
„Das Hiersodaseinso immer. Tz.“
*
Hintanstellen möchte ich mich mit einem Zweizeiler namens „Daseinsfreude“:
Und wenn ich schon mal hier bin: so in die Welt geworfen,
erfreu ich mich: zum Beispiel der Schönheit des Amorphen.
Mit einem Anflug von Hochmut
zieh ich locker vorbei
an dem langsamen Läufer
zu meiner Linken.
Im selben Moment
zu meiner Rechten
ein sehr schneller Läufer,
der locker vorbeizieht – und mich lehrreich zurückläßt:
mit einem Anflug von Demut.