Zu viel Lärm.
Kein Kaiser´s mehr
Der Kaiser´s bei uns unten an der Ecke heißt seit ein paar Tagen „Rewe City“. Wie gut, daß ich die lachende Kaffeekanne noch schnell fotografiert habe. Sie ist nämlich jetzt für immer weg, aus dem Stadtbild verschwunden.
Ein ehrendes Andenken bewahrt wird der Supermarkt-Kette auch in meinem Gedicht
Kleines Panoptikum
Frauen, die auf Hummeln fliegen,
Männer, die im Dunkeln bügeln,
Puppen, die in Pfützen liegen,
Krähen, die die Angst beflügeln,
Ferkel, die an Brüsten trinken,
Schwäne, die auf Schienen gleiten,
Mützen, die im Sumpf versinken,
Gabeln, die mit Messern streiten,
Riesen, die auf Stelzen laufen,
Zwerge, die die Wände weißen,
Bettler, die bei Kaiser´s kaufen,
Mäuse, die in Mettwurst beißen,
Möbel, die sich selbst verrücken,
Häschen, die im Rollstuhl sitzen,
Kühe, die Kamillen pflücken,
Spatzen, die die Ohren spitzen,
Jogger, die beim Joggen rauchen,
Knöpfe, die von Hosen springen,
Taucher, die ein Streichholz brauchen,
Klingen, die in Körper dringen,
Kinder, die Absinth bestellen,
Füchse, die die Schuhe schnüren,
Glieder, die zur Unzeit schwellen,
will ich euch vor Augen führen.
Das ist hiermit auch geschehen.
Guten Tag. Auf Wiedersehen.
Dreimal Karneval
Meine Initialisierung in die hemmungslosen Freuden des Karnevals fand an einem Weiberfastnacht-Donnerstag in einer Kölner Kneipe statt. Freund Andreas und ich, beide noch jung und ungebunden, kamen gerade vom Klo und trafen auf eine Nonne. Andreas stellte sich ihr in den Weg und sagte:
„Bitte segne mich!“
Die Nonne zögerte keine Sekunde, schnappte sich den Bittsteller, legte ihm einen Arm um den Hals, zog ihn an sich und küßte ihn so fest wie langanhaltend auf den Mund. Wenn das so ist, möchte ich ein Teil davon sein, dachte ich, machte mit und wurde ein Teil davon.
*
Ein oder zwei Jahre später waren wir an Weiberfastnacht wieder gemeinsam unterwegs, feierten, verloren uns aber im rauschhaften Laufe des Tages und der Nacht im Getümmel aus den Augen. Mobiltelefone hatten wir nicht. Anders als geplant übernachtete ich nicht bei Andreas, sondern woanders. Erst am nächsten Nachmittag kehrte ich in seine Wohnung zurück. Mir bot sich ein Bild der totalen Kapitulation vor dem Kater: Der Mann lag im Bett und sah im Fernsehen „Pippi Langstrumpf“. Kraftlos schaute er mich an und fragte:
„Wo warst du denn die ganze Nacht? Ich hab schon bei der Feuerwehr angerufen. Aber die haben gesagt: ´Brück? Hamma nit jefohre.´“
*
Inzwischen sind wir älter und Andreas meidet Alkohol wie Karneval. An Weiberfastnacht erlebt er aber immer noch Lustiges. Doch lest selbst:
„Die Liebste und ich gehen am Weiberfastnachts-Nachmittag traddidsjenell gerne in die Sauna. Und obwohl die im Mauritius-Hotel direkt hinter meinem Haus liegt, heißt es trotzdem immer wieder Tasche packen, anziehen, umziehen und alles. Gestern habe ich gedacht – och, sind doch eh alle verkleidet, da ziehe ich mir den Bademantel und die Latschen schon zuhause an und geh einfach so rüber. Ist auch keinem aufgefallen, haha. War ganz normal.
Auf dem Rückweg ist mir dann noch einer begegnet, der als VERKLEIDUNG einen Bademantel und Schlafanzug anhatte – da haben wir uns gefreut und mit Handschlag begrüßt. Hab ihm dann noch gesagt, dass ich gar nicht verkleidet war, sondern einfach nur aus der Sauna komme. Der hat vielleicht gelacht.“
An Karneval nur so zu tun, als sei man verkleidet: Eine besonders subtile Form der Heiterkeit.
Test by ridicule
Manche Menschen verstehen keinen Spaß.
Warum nicht?
Das ist eine interessante Frage, die sich und der sich Despoten, Autokraten, Heimattümler, religiöse Fanatiker aller Art stellen sollten.
Propagiert hat diesen „Test by ridicule“ der Earl of Shaftesbury um 1700. Thomas Kapielski faßt ihn in seinem Buch „Mischwald“ (S. 186) so zusammen:
„Der Spott sei Test (´test by ridicule´) und Arznei wider den Fanatismus! Wo eine Gesinnung auf dem Probierstein des Spottes cholerisch anspringt, da stehe es ganz übel. Dabei leugnet Shaftesbury keineswegs die Aufrichtigkeit echter religiöser Gesinnung, denn diese, so Shaftesbury, würde Spott, sogar Hohn, immer mild lächelnd ertragen. Geschwollene Würde aber, die sich von vornherein gegen Kritik abzuschirmen trachte, sei Betrug; alle Unaufrichtigekit fürchte nichts mehr als Scherz und Humor.“
Wann immer Euch, geneigte Leserinnen und Leser, ein Mensch verdächtig vorkommt: Macht den test by ridicule. Prüft oder stellt Euch vor, wie er oder sie auf Spott reagieren würde.
Dann wißt Ihr, wo Ihr dran seid.
Und wieder eine Lektion in Demut
In der Esslinger Pauls-Kirche liegt neben den Opferkerzen ein dickes Buch aus, in das die Kirchgänger schreiben dürfen, was ihnen auf der Seele liegt. Blättere darin und lese einen der letzten Einträge:
„Danke Danke für das gute Ergebniss“
Denke zunächst noch amüsiert arrogant:
´Das gute Ergebnis kann sich ja wohl kaum auf eine Rechtschreib-Prüfung beziehen.´
Entdecke dann aber auf der Seite davor dieses Gebet hier:
„Lieber Gott, ich bitte für ein gutes Ergebniss und keine OP“
Und werde schlagartig demütig und kleinlaut angesichts dieser Seele in Not.
Grundübel (3)
Zu viel Geld.
(Bzw. zu wenig.)
Interessanter Dialog vor einem Kölner Geschäft für teure Küchen-Utensilien
Ältere Frau (in die Auslage schauend):
„Kuckma: interessante Pfannen.“
Älterer Mann (weder seine Frau noch das Schaufenster eines Blickes würdigend, sondern stur geradeaus sprechend):
„Gibt keine interessanten Pfannen.“
So unsympathisch der Mann: Recht hat er doch.
Hahahaha Flasche leer!
In der Kita natürlich immer wieder großes Thema: auslachen.
Das Töchterchen jedenfalls sitzt in der Küche und sagt zum Vater:
„Ich lache jetzt die Britzelwasserflasche aus.“
„Warum denn?“
„Weil sie leer ist.“
Woraufhin das Töchterchen so demonstrativ wie künstlich und unter Zuhilfenahme des Zeigefingers die Wasserflasche auslacht:
„Hahahahaha!“
Absurdes Theater Hilfsausdruck.
Grundübel (2)
Zu viele Leute.
Menchen
Da hast du dich – so wie ich gestern Vormittag – ausgiebig mit Mensch, Menschen und Menschheit befaßt, machst dich dann nachmittags mit dem Töchterchen auf den Weg zum Zahnarzt, steigst aus dem Auto, stehst unversehens vor einem Bus mit der Aufschrift
– und mußt lachen, denn manche Menschen, Jupp Heynckes etwa, sagen ja wirklich „Menchen“, wenn sie „Menschen“ meinen.
Ich finde das sehr sympathisch und habe für diese dialektal bedingte Fehlleistung großes Verständnis. Denn auch mir attestierte ein Berliner Redakteur bei meinem ersten Radio-Praktikum:
„Sie hören sich ja an wie ein Remagener Laien-Darsteller.“
Der Mench heißt Mench, weil er wärmt, wenn er erzählt.