Wer zum Teufel ist Sankt Neff? (12)

„Der Mensch ist so geneigt, sich mit dem Gemeinsten abzugeben, Geist und Sinne stumpfen sich so leicht gegen die Eindrücke des Schönen und Vollkommenen ab, daß man die Fähigkeit, es zu empfinden, bei sich auf alle Weise erhalten sollte. Denn einen solchen Genuß kann niemand ganz entbehren, und nur die Ungewohnheit, etwas Gutes zu genießen, ist Ursache, daß viele Menschen schon am Albernen und Abgeschmackten, wenn es nur neu ist, Vergnügen finden. Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht von Sankt Neff lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.“

(Johann Wolfgang Goethe, „Wilhelm Meisters Lehrjahre“)

„Sonst war nichts“ mit Ulrich Matthes

Was bin ich froh, daß das vor ein paar Wochen noch möglich war: Echte Menschen treffen sich in echt in echten Räumen, sitzen auf echten Stühlen, lesen sich in echt Geschichten vor und hören echt zu.

So begab es sich märchenhafterweise am 8. Oktober 2020, daß ich gemeinsam mit Ulrich Matthes einer erklecklichen Anzahl erlesener Menschen im Europäischen Theater-Institut über den Dächern von Berlin ziemlich viele ziemlich kurze Kapitel aus meinem Miniatur-Roman „Sonst war nichts“ vorlesen durfte.

Das heißt: Hauptsächlich las Ulrich Matthes. Und währenddessen hatte auch ich das Vergnügen, dabei zuhören zu dürfen, wie ein großer Könner meine Texte anscheinend oder scheinbar anstrengungslos nobilitierte, indem er sie vortrug, wie er sie eben vortrug.

Wer nicht so viel Zeit hat, kann sich hier einen kurzen Eindruck verschaffen:

Wer viel Zeit, kann sich hier einen langen Eindruck, von der kompletten Lesung nämlich, verschaffen, die Oliver Nötzel dankenswerterweise aufgenommen hat:

Was bin ich froh, daß es jetzt Beweise gibt. Daß das nämlich tatsächlich genau so stattgefunden hat.

Fotos: Oliver Nötzel

Der Lauf der Zeit (2)

Freund Andreas spielte mir einen Zweizeiler zu, der sich füglich anschließt an das ein wenig weiter unten zitierte stoische Lebensmotto des Wiener Obers Herr Christoph:

„Erst war das, jetzt kommt etwas anderes.“

Als Ergänzung und Weiterspinnung nun also der besagte Zweizeiler, der vom englischen Monty Python-Komiker Eric Idle stammt:

„Life has a very simple plot:
first you´re here and then you´re not.“

Eric Idle hat übrigens auch den Python-Song „Always Look On The Bright Side Of Life“ geschrieben. Kurz vor Schluß formuliert er darin eine sehr komische und deshalb tröstliche Quintessenz des Lebens:

„I mean, what have you got to lose?
You know, you come from nothing.
You’re going back to nothing.
What have you lost? Nothing.“ 

Was gibt es hinzuzufügen? Nothing.

Pralinen auf Joe Biden

Meine Mutter (in der Zeitung stünde hier jetzt:  81) erzählte mir eben, sie habe sich gestern so über die Nachricht von Bidens Wahlsieg gefreut, daß sie zunächst erwogen habe, eine Flasche Sekt zu öffnen, diese Idee dann aber verworfen, weil Sekttrinken allein keinen Spaß mache, und sich stattdessen entschieden, zur Feier des Tages einige besonders leckere Pralinen zu essen. Pralinen auf Biden. So soll es sein. Auch ihrer Kurzzusammenfassung der Lage dieser Tage ist nichts hinzuzufügen:

„Den Trump müssen sie wohl aus dem Weißen Haus tragen. Der tickt doch nicht richtig.“

Neulich in Kreuzberg (6)

Auf einem dieser breiten Bürgersteige kommen mir ein Junge und ein Mädchen auf ihren Rädern entgegengeflitzt. Das Mädchen unterbricht den Jungen mit leicht erregter Stimme:

„Jetzt will ich aber auch mal Angeber sein!“

Und ich kann das sehr gut verstehen. Denn jeder will mal Angeber sein. Und sollte das auch dürfen.

Der Lauf der Zeit

Vor einiger Zeit las ich in der ´Süddeutschen Zeitung´ einen Artikel über „Herrn Christoph“, seit 35 Jahren Ober im Wiener Kaffeehaus Schwarzenberg, der jetzt in Ruhestand geht, anders als viele, so auch ich, aber keine Angst vor Veränderungen zu haben scheint:

„´Abgehen wird mir nichts´, glaubt er, ´ich bin ein Mensch, der den Lauf der Zeit achtet: Erst war das, jetzt kommt etwas anderes.´“

Werde versuchen, mir ein Scheibchen abzuschneiden von Herrn Christophs Lauf-der-Zeit-Ergebenheit:

Erst war das, jetzt kommt etwas anderes.

„Sonst war nichts“ auf Twitter

Als analogue native halte ich mich nicht bis kaum mit Twitter auf, folge niemandem, schaue aber gelegentlich mal, was Freunde wie Michael Strempel, Bekannte wie Christian Zaschke und andere interessante character wie Albrecht Selge oder Igor Levit dort in die Welt pusten. Sehr selektive Wahrnehmung also. Umso schöner, wenn mir andere Menschen wie Kollegin Daniela Hinweise zukommen lassen, die mir sonst entgangen wären. Diesen hier zum Beispiel:

Freufreu!

Wie er zu Superman wurde

Mit der lieben und nach schönen Erinnerungen dürstenden Gemeinde teilen möchte ich eine schöne Erinnerung, die Freund Andreas mir am Sonntag schrieb, wenn nicht sogar schrob:

 „Schöne Erinnerung heute morgen:
 
Der Tag, an dem ich rausfand, dass man die Unterhose ÜBER die Schlafanzughose ziehen konnte! Vorher natürlich schon experimentiert mit Strümpfe-über-die-Bündchen-der-Schlafanzughose-ziehen und großes-Badehandtuch-in-den-Schlafanzugoberteilkragen-reinfriemeln (wie ein Schlabberlatz, nur hinten). Aber das mit der Unterhose war der ´missing link´, durch den ich endlich vollends und unzweifelhaft zu Superman wurde.“

Mein All