Alle Beiträge von Sankt Neff

Vom Woher und Wohin

Freund Martin ist Lehrer und ein kluger Mann. Neulich erkundigte er sich via Elektropost, ob ich eine Lösung für das Flüchtlings-Problem hätte.  Seine Schüler frügen ihn immer wieder danach und er wisse keine Antwort. Mir gefiel die Herausforderung, eine große Frage mit wenigen Sätzen möglichst einfach zu beantworten.  Und so gab ich mir redlich Mühe.

Gestern nun revanchierte ich mich und stellte meinem Brieffreund zwei mindestens ebenso intrikate Fragen:

Woher kommt der Haß?

Und:

Was tun gegen den Terror?

Noch am selben, späten Abend erreichte mich eine Antwort, die mir sehr einleuchtet. Nämlich diese hier:

„Der Hass kommt aus dem Gefühl, zu kurz gekommen zu sein.
Das Gefühl, zu kurz gekommen zu sein, kommt aus eingebildetem oder echtem Zukurzgekommensein.
Das Zukurzgekommensein kommt von der Ungerechtigkeit der Welt und der Untätigkeit des lieben Gottes.
Gegen den Terror ist mit viel Geduld und ganz viel Polizeiarbeit alles Mögliche zu tun, nur eins nicht: Krieg führen.

Was ist gegen die Angst der Kinder vor dem Terror zu tun? Keine Ahnung.“

Soviel zum Woher und nun zum Wohin, mit dem sich der Sänger Jochen Distelmeyer auf seiner auch sonst sehr empfehlenswerten Platte „Heavy“ befaßt hat:

Lebenslänglich

Ende Oktober unter deutschen Rentnern in Los Christianos auf Teneriffa:

Die am hellichten Mittag bei Kaffee, Bier und Zigaretten an der Promenade sitzen, begrüßen die, die in kurzer Hose und mit nacktem Oberkörper zum Strand schlendern:

Das Wasser ist noch da.“

Darauf die Schlendernden:

Das ist gut. Macht euch nen schönen Tag.“

Darauf wieder die Sitzenden:

Was bleibt uns übrig.“

Vielleicht handelt es sich hierbei um eine spezielle Form des Galgenhumors derjenigen, die bis zum Tode verurteilt sind zu Sonnenschein und Badeurlaub.

Wiglaf, verpuppt

Wiglaf Droste, der am Sonntag gemeinsam mit dem Geiger Gerhard Uebele und mir bei „Menschen auf Stühlen“ auftreten wird und den ich darob um ein Pressefoto bat, ließ mir dieses entzückende Bild hier zukommen:

Wiglaf als Puppe

Abgesehen von der Katze, die sich so kompromißlos wie wild entschlossen in den Vordergrund drängt, gefällt mir besonders gut die starke Körper- und Gesichtsbehaarung der Wiglaf-Puppe.

Wer wissen will, wie ähnlich die Puppe Wiglaf Droste sieht bzw. Wiglaf Droste der Puppe:

Zu besichtigen ist der echte Mann am Sonntag, 8. November, um 17 Uhr im Kreuzberger K-Salon, Bergmannstraße 54. Den Part der Katze übernehmen abwechselnd Gerhard Uebele und ich.

Neues aus der Wortspielhölle

Ich stand als deutscher Tourist in einem Dubliner Pub und durfte erleben, wie beneidenswert die Einheimischen zu singen, zu tanzen, zu fiddeln und zu feiern verstehen. Zum wiederholten Male dachte ich auf dieser Reise:

„Ich wäre so gerne einer der Iren.“

Defekt (4)

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In diesem Fall ist nicht nur die Kaffemaschine in der Kantine defekt, sondern auch die Orthographie: zwei Wörter, zwei Fehler. Worüber ich mich  keineswegs lustig machen will. Im Gegenteil, ich finde die Kombination aus Rechtschreibschwäche,  Mädchenschrift und dem Bemühen um gehobene Ausdrucksweise („defekt“ statt „kaputt“ oder „geht nicht“) ausgesprochen niedlich.

Hier und da

Der olle Kapielski, dessen Bücher ich wieder und wieder lesen kann, vor allem wenn mir die Lust auf Romangedöns wie Handlung, Beschreibung und Dialog fehlt, der olle Kapielski also hat in „Mischwald“ (S.  121) die Ambivalenz vons Janze vortrefflich auf den Strichpunkt gebracht:

„Das Dasein ist ja doch sehr interessant und unbegreiflich schön; wenn nur das schnöde Hiersein nicht wäre.“

*

Sehr interessant und unbegreiflich schön aber auch die noch lakonischere Zusammenfassung des Dahierseins, die mir Freund Andreas elektropostalisch zukommen ließ:

„Das Hiersodaseinso immer.  Tz.“

*

Hintanstellen möchte ich mich mit einem Zweizeiler namens „Daseinsfreude“:

Und wenn ich schon mal hier bin: so in die Welt geworfen,

erfreu ich mich: zum Beispiel der Schönheit des Amorphen.

Das schlafende Kind

In dem überhaupt ziemlich guten Roman „Die Glücklichen“ bringt Kristine Bilkau ziemlich gut ein Phänomen auf den Punkt, das den meisten Eltern kleiner Kinder vertraut sein dürfte:

„Das schlafende Kind gibt seine Schönheit ganz und gar preis. Es fordert nichts, es will nicht gefüttert, gewickelt oder unterhalten werden, es läuft nicht davon, kann sich nicht wehtun und weint nicht, es kann nicht stürzen und nichts umreißen, das Kind kommt nicht auf komische Ideen, schreit nicht und sträubt sich nicht, auch sein Wille schläft. Während sie Matti so betrachtet, öffnet sich etwas in ihr, nichts stört dieses Gefühl von Liebe. Wie eingezwängt das Gefühl im Alltag doch ist, erdrückt zwischen den unzähligen Handgriffen, dem Aufpassen und in Stellung sein. Doch während der Schlafstille kommt das Gefühl in seiner ganzen Größe zum Vorschein, es kann weiter anwachsen, nichts stört. Sie drückt ihre Nase an seine Wange.“ (S. 252 f.)

*

Die Konfrontation mit dem schlafenden Kind – vor ein paar Jahren habe ich versucht, sie als „Mutprobe“ zu beschreiben:

 

Geh nachts nochmal rüber,

schalte das Licht an im Flur,

schleich in das halbdunkle Zimmer

und schau, wie es daliegt,

dein Kind,

daliegt und atmet,

schau auf seine geschlossenen Lider

und versuche sie auszuhalten,

diese unerträgliche Zartheit.

Liegen lernen (2)

Das vielbeschworene GUTE BUCH!

Es will und soll gelesen werden. In aller Ruhe, im Liegen, mit aller Zeit der Welt für viele, viele Seiten.

Andererseits aber sind da gleich zu Beginn auch viele, viele Namen. Fremde Namen, die auseinanderzuhalten nicht immer einfach ist, ein bißchen anstrengend, wenn nicht gar sanft ermüdend.  Es spricht doch eigentlich auch nichts dagegen,  denkt sich der Mann, der Jörg heißt, auf dem Bild, das nicht gestellt ist, schon leicht verlangsamt, es spricht doch eigentlich auch nichts dagegen, erst ein bißchen zu dösen und dann später mit neuer Kraft und frischer Konzentrationsfähigkeit…

Jörg